Seite - 88 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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» Diese Ruine stellt sich sehr ausgezeichnet dar, von welcher Seite
man sich ihr nähert, und ist weithin sichtbar, doch verspricht sie
mehr als sie hält. Kreuzenstein gehört nicht unter die maleri
schen Ruinen, und ist so verfallen, daß der Alterthümler wenig
Befriedigung findet, doch ist die Aussicht lohnend. [ … ] Die Haupt
mauern stehen fast noch ganz, und lassen Umfang und Gestalt der
Veste genau erkennen. [ … ] Der alte Thorbogen ist noch gut erhal
ten, im Inneren der Burg aber nichts mehr zu erkennen als ein
Fenster der Kapelle. «304 Ansichten aus dem Skizzenbuch Ferdi
nand von Wetzelsbergs überliefern präzise den Zustand der Burg
in den Jahren um 1815 – 25.305 〚 37 〛
Gegen Ende der Sechzigerjahre waren noch zwei ovale, in un
regelmäßiger Höhe erhaltene Mauerringe vorhanden, deren äu
ßerer die Umfassungsmauer markierte, während der innere Teil
die Reste der Hauptburg bildete. Im Westen fanden sich noch
Fragmente des polygonalen Chores der Kapelle, im Osten eine
hohe, von einem Tor durchbrochene Mauer. Karl Fronner, der
1869 die Burg in ihrem damaligen Zustand publizierte 〚 38, 39 〛,
bot sich folgendes Bild : » Das Innere der Burg ist überraschend
kahl und leer, dafür aber reichlich mit grösseren und kleineren
Mauerbruchstücken und mit Sandsteinblöcken bedeckt. So we
nig als sich die Spur eines Hauptthurmes, der zwar bei dieser
Burganlage nicht gerade nothwendig war, findet, eben so wenig
biethen die wenigen Fundamentsmauern im Inneren des gegen
das Thor hin abschüssigen Burghofes genügende Anhaltspunkte,
um über die Ausdehnung der Wohnhäuser und Nebengebäude et
was Bestimmtes angeben zu können. «306 Wilczek selbst schreibt
über den Zustand der Ruine vor dem Wiederaufbau : » In der gan
zen Burg gab es keinen gewölbten oder geschlossenen Raum
mehr, auch kein Fenster, welches noch seinen oberen Sturz ge
habt hätte ; so gründlich war alles verwüstet. «307 〚 40, 41 〛
Nachdem Probebohrungen im Felsgestein unter der Kapelle
keinen Aufschluss über die Existenz einer Gruft ergeben hat
ten, entschloss sich der Bauherr, » ein Gruftgewölbe in den Fel
sen sprengen zu lassen und die Kapelle zu restaurieren, eigent
lich neu zu erbauen. «308 Gemeinsam mit Carl Gangolf Kayser
entwarf Wilczek die ersten Pläne, » die aber später oft verändert
wurden. «309 Nach der Fertigstellung der Kapelle – die Gruft war
1884 geweiht worden310 – machte sich Wilczek an die Errichtung
anderer Bauteile, wobei die noch deutlich sichtbaren, ein unre
gelmäßiges Oval beschreibenden Fundamente der alten Burg bei
behalten und in den Neubau einbezogen wurden.311 Der Bau, für
den jährlich 50 000 Gulden vorgesehen waren,312 zog sich lang
sam hin, » in der Reihe, wie sie das Bedürfnis von selbst verlangte.
[ … ] Auf diese Weise entstand die Küche, der Stall, der Söller, der
88 Eine moderne Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258