Seite - 124 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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aus Padua, die fünfachsige Bogenstellung darüber sitzt auf vier
unterschiedlich gestalteten Säulen aus Mischio Marmor, die bei
den äußeren besitzen aus Mailand stammende Basen in Form
ruhender Löwen.381 Wie am Söller, so wird auch hier das Motiv
der großen Arkadenstellung von zwei Lisenen begrenzt und rah
mend hervorgehoben, die in einen von Wilczek selbst entworfe
nen Dreipassbogenfries mit figürlichen Reliefs münden ; ein weit
vorkragendes geschnitztes Pultdach schützt die offenen Arkaden
vor Witterungseinflüssen.382 Regelmäßig über die glatten Qua
derflächen verteilt finden sich insgesamt vierzehn unterschied
lich große, figürliche oder ornamentale romanische Reliefplatten
bzw. tondi.383 Die mit aufgestellten Grabplatten ausgestattete
Halle im Erdgeschoß der Loggia dient zugleich als Vorhalle der Ka
pelle. Eine steinerne Rolandsfigur aus dem 11. Jahrhundert384 be
wacht das von in die Mauer eingelassenen Reliefs umgebene ro
manische Portal, das im Tympanon ein aus drei unterschiedlichen
Teilen zusammengesetztes Steinrelief der Maiestas Domini trägt ;
die Türflügel mit der geschnitzten Darstellung des Besuchs Mari
ens bei Elisabeth sind Kopien nach den berühmten Originalen in
Irrsdorf im Flachgau.385 〚 71 〛 In der nordwestlichen Ecke der Halle
liegt, durch ein Spitzbogenportal mit dem Wilczek
Wappen ge
kennzeichnet, der Eingang zur Familiengruft.386 Hinter der Stirn
wand führt eine schmale Stiege in das Obergeschoß.
Wie ein riesiger Pflock ist der Nordwestturm als Gelenk zwi
schen Loggia und Palas getrieben. Die Hofansicht des Palas do
miniert ein auf Kragsteinen ruhender, an den Balken reich mit
Schnitzereien geschmückter Riegelbau, der sogenannte Maximi
liansgang, der von einem elsässischen Haus des 16. Jahrhunderts
stammt.387 Wie an der Außenseite des Palas belichten kleine
Dachgauben im Mauerwerk darüber die Stuben im zweiten Ober
geschoß. Durch die beiden Portale im Erdgeschoß des Palas ge
langt man in die Rüstkammer.
Der große, von Buckelquadern eingefasste Spitzbogen, der den
Hof überspannt und zugleich in einen äußeren und inneren Be
reich teilt, trägt den um 1450 entstandenen, bereits mehrfach er
wähnten Kaschauer Domgang.388 〚 66, 70 〛 Die mit reicher, filigra
ner Bauplastik versehene fünfachsige Arkadenstellung wurde,
umgeben von vergleichsweise rohem Hausteinmauerwerk, auch
hier wie ein monumentales Schau und Schmuckstück präsen
tiert und suggeriert mit großer Geste über der relativ seichten
Bogenlaibung beträchtlichen Tiefenraum ; tatsächlich liegt hinter
den in weiten Intervallen gesetzten Spitzbogen nur ein schmaler
Gang, der gleichermaßen beengte Nebenräume erschließt. Un
ter dem großen Bogen liegt im Norden ein Portal, das zur vier
geschoßigen Hauptstiege führt.389 Auf der gegenüberliegenden
124 Eine moderne Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258