Seite - 131 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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in den Ecken und entsprechende Konsolen an den Längsseiten
tragen das sechsteilige Kreuzrippengewölbe. Die Wandflächen
sind durch tiefe Nischen und Bogenstellungen geöffnet, wodurch
sich um den Kernbau eine deutlich artikulierte zweite, dunklere
Raumschicht legt – ein bereits vom Außenbau bekanntes Gestal
tungsmittel. Die Südwand des Langhauses öffnet sich in zwei brei
ten Spitzbogenstellungen, die von einer Säule mit romanischem
Kapitell aus » der ältesten Basilika in Padua «402 getragen werden,
zu einer halbrunden Seitenkapelle. 〚 78 〛 Die Kuppelkalotte die
ses » byzantinisch « anmutenden Raumes, der zugleich als ältester
Teil der Kapelle ausgewiesen ist, schmückt ein Mosaik des venezi
anischen Mosaizisten Conte Giovanni Morolin, eine Kopie der Ma
donna der Ostkuppel von San Marco in Venedig, flankiert von zwei
Engeln nach Motiven aus dem » Jüngsten Gericht « in der Kathe
drale von Torcello.403 Mittig im Boden markiert eine massive Por
phyrplatte mit dem Wappen der Familie Wilczek den Eingang zur
darunterliegenden Gruft.404 〚 80 〛 Das Gitter, das die Gruftkapelle
vom Kirchenschiff trennt, wurde vom Bauherrn selbst nach einem
bei Viollet
le
Duc abgebildeten Gitter in St. Denis in Paris entwor
fen.405 Im Obergeschoß der Nord und Südwand des Langhauses
öffnen sich von Spitzbögen überfangene Biforen zum schmalen,
einfach gewölbten Sängerchor und dem deutlich größeren Ora
torium 〚 76, 81 〛, das über einem trapezförmigen Grundriss eine
bemerkenswerte Gewölbeform aus kräftigen Rippendreistrah
len mit Birnstabprofilen aufweist. Die reliefierten Schlusssteine
zeigen, wie am Nordwestturm, Wappen ehemaliger Besitzer der
Burg.406 Die Segel der Wölbung sind mit figürlichen Darstellun
gen auf Goldgrund bemalt. Auch der im Westen liegende Orgelchor
ist räumlich vom Langhaus abgesetzt. 〚 79 〛 Er besitzt ein deutlich
höheres Gewölbe, das sich an den Dimensionen des großen West
fensters orientiert.407 Insgesamt ist die von der Romanik bis zur
Spätgotik reichende Formensprache dieses Raumes mit Absicht
gewählt : Innerhalb der fiktiven Baugeschichte der Burg wird da
mit eine sukzessive Entstehung der Kapelle von ihren Ursprün
gen im 12. ( Seitenkapelle, Gruft ), über den Ausbau im 13. ( Lang
hauswände ) und 14. ( Langhauswölbung ) bis zur Fertigstellung im
15. Jahrhundert ( Chor ) zum Ausdruck gebracht.
In der Kapelle hat sich der ganze Reichtum der Sammlungen
Wilczeks bis heute wohl am vollständisgten erhalten.408 Der Flü
gelaltar 〚 73, 74 〛 wurde vom Bildhauer Johann Grissemann aus
Imst in Tirol aus nicht weniger als 47 Teilen unterschiedlicher Her
kunft zusammengesetzt und steht beispielhaft für das in Kreu
zenstein angewandte Verfahren der Kombination und Kompila
tion heterogener Fragmente.409 Wesentlich für die Raumwirkung
sind die Glasgemälde in den Apsisfenstern und im Westfenster.410
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Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258