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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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durch eine subtile Angleichung des neu Errichteten an den Alt­ bestand. Alles Neue wird mit » künstlicher Patina «543 überzogen, sodass nicht mehr zwischen Alt und Neu differenziert werden kann. Es ist daher von großer Bedeutung, dass möglichst viel des an der Oberfläche sichtbaren Materials nicht nur authentisch wirkt, sondern auch tatsächlich aus dem Mittelalter stammt. Am Außenbau erstreckt sich dieser Anspruch vom Steinmauer­ werk über Holzkonstruktionen und Ziegeleindeckungen bis hin zu Türblättern, Beschlägen und Gittern.544 Im Inneren reicht er bis in die kleinsten Ausstattungselemente : Somit stehen selbst die aus historischen Einzelteilen und modernen Ergänzungen zusammengesetzten Möbel stellvertretend für die nach einem ganz ähnlichen Verfahren » konstruierte « Burg als Ganze. 〚 83 〛 Was nicht im Original zu beziehen war, das wurde – aus histo­ rischem Material545 – kopiert und auf diese Weise integriert.546 Wenn etwa der Bergfried aus dem Baumaterial eines mittelalter­ lichen Turmes am Inn errichtet wurde,547 dann gehen durch die historischen Bauteile gleichsam Partikel historischer Authentizi­ tät ebenso in den Neubau über, wie die längst verblasste Erinne­ rung an den namenlosen Turm am Inn, der dem neuen Kontext einverleibt wurde. Die Spolien von Kreuzenstein stellen die permanente Anwe­ senheit des Vergangenen im Neubau sicher. Architektur und Bau­ plastik, Skulpturen, Gemälde, Mobiliar und Kunsthandwerk sind die Elemente eines neuen Textes, der das Mittelalter nicht me­ lancholisch beschwört, sondern vielmehr selbst den Anspruch zu erheben scheint, Mittelalter zu sein : Johann Paukert, der Archi­ var der Burg, beschwor 1911 » das geschlossene Gemälde der Ver­ gangenheit Kreuzensteins, das der Wunderbau uns bietet « und sprach vom » Triumph der Feste in ihrer herrlichen Wiederge­ burt «.548 In dieser umfassenden Evokation ist die Funktion der Fragmente, alten Objekte und Spolien aufs engste mit den zahl­ reichen direkten oder indirekten architektonischen Verweisen auf reale mittelalterliche Bauten verbunden. Ludwig Hevesi be­ mühte sich im Jahr 1907, Besonderheit und Aktualität Kreuzen­ steins im anbrechenden 20. Jahrhundert zu charakterisieren : » Ein Lebensbau, der werdend und wachsend die Jahre und Jahr­ zehnte des Bauherrn begleitet [ … ]. Unsere moderne Zeit, die ihre Ziele in die Zukunft hinaussteckt oder zu stecken meint, kann doch auch dieser Art von Idealismus, von zweckvollem Herauf­ beschwören, von Weiterträumen des scheinbar Ausgeträum­ ten, seinen geistigen Anteil nicht versagen. Kreuzenstein ist keine willkürliche Liebhaberei, sondern hat seine eigene Art von posthumem Leben, denn es ist ein Organismus, der von innen heraus getrieben hat und blüht. [ … ] So kommt dieses Bauwerk 182 Herrschaft der Dinge
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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