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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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oder besser, einer spezifischen und zugleich vollkommen fikti­ ven räumlichen Situation als Figuration einer erfundenen Ver­ gangenheit, wird Kreuzenstein zur Heterotopie, zu einer real ver­ wirklichten Utopie des späten 19. Jahrhunderts. Auch der Themenpark ist als » künstliches Paradies « eine He­ terotopie.611 Seine bereits um 1900 ausgeprägten Mechanismen sind gut dazu geeignet, auch die spezifische kulturelle Position und Funktion Kreuzensteins zu erhellen.612 Schon der Begriff » Themenpark « macht die notwendige räumliche Abgrenzung von der umgebenden Realität und die inhaltliche Fokussierung deut­ lich, die im historischen Themenpark eine zusätzliche geschicht­ liche Dimension erhält, indem hier die fremdartigen Reize der Vergangenheit » konsumiert « werden.613 Ein wesentliches Merk­ mal aller Themenparks ist die – dem Publikum bewusste – voll­ ständige Künstlichkeit, geht es doch hier niemals um Täuschung, sondern um Illusion. Zum Tragen kommt dabei eine » Ästhetik der Immersion «, die, wie Laura Bieger schreibt, » eine Ästhetik des Eintauchens, ein kalkuliertes Spiel mit der Auflösung von Di­ stanz [ ist ]. Sie ist eine Ästhetik des emphatischen körperlichen Erlebens und keine der kühlen Interpretation. Und : sie ist eine Ästhetik des Raumes, da sich das Eintaucherleben in einer Ver­ wischung der Grenze zwischen Bildraum und Realraum vollzieht. Immersive Räume sind [ … ] Räume, in denen Welt und Bild sich überblenden und wir buchstäblich dazu eingeladen sind, uns in die Welt des Bildes zu begeben und in ihr zu bewegen. «614 Die ersten modernen Themenparks entstanden im Rahmen großer Ausstellungen, wo zunächst die virtuelle Reise im Raum im Vordergrund stand. Auf der Wiener Weltausstellung 1873 zum Beispiel, die der Bauherr von Kreuzenstein in offizieller Funktion begleitete,615 war erstmals eine ganze Reihe von Pavillons zu se­ hen, die das Bedürfnis des Publikums nach dem Erlebnis des Exo­ tischen befriedigten : Neben der großen Ägyptischen Baugruppe 〚 120 〛 zeugten türkische, persische und allgemein » orientalische « Bauten von der starken Präsenz der arabischen Länder auf dieser Ausstellung und entführten die Besucher in eine für die meisten noch unerreichbare Welt, die das europäische Phantasma des Ori­ ents zugleich illustrierte und beflügelte. Die Pavillons folgten oft bekannten historischen Vorbildern, bisweilen wurden diese sogar originalgetreu rekonstruiert.616 Das Erlebnis einer in diesem Um­ fang damals völlig neuartigen Inszenierung exotischer bzw. histo­ rischer Architektur auf der Wiener Weltausstellung hat Wilczek bei seinen Entschluss, im Jahr darauf mit dem Bau einer mittelal­ terlichen Burg zu beginnen, mit Sicherheit beeinflusst. Dem Exo­ tischen folgte bald das Historische : Der » erste Versuch einer plasti­ schen Illustration entschwundener Zeiten «617 – zugleich Reaktion 202 Mediale Korrespondenzen
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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