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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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naturgemäß statisches Bild, plötzlich und für wenige Augen­ blicke in seiner fiktiven räumlichen und körperhaften Ausdeh­ nung zu erfahren – und nicht zuletzt wiederzuerkennen –, her­ gestellt durch lebende Menschen, die sich während dieser Zeit bemühen, ihre Bewegungen auf ein schier unmenschliches Mi­ nimum zu reduzieren. 〚 25 〛 Täuschend echt soll die Inszenierung wirken, wenn sich auch keiner der Zuseher tatsächlich von ei­ nem solchen Anblick täuschen lassen würde ; was dagegen zählt, ist das alte illusionistische Spiel mit Bewegung und Statik, Raum und Fläche. Lebendig wird das Tableau vivant durch die physische Präsenz und Lebendigkeit seiner Körper, deren Bewegung, da sie sich mit der Starrheit des Bildpersonals in Wettstreit befinden, stets nur eine potenzielle ist.632 Kreuzenstein lässt sich als Gesamtes gut mit dem Illusionis­ mus des Tableau vivant vergleichen, operiert es doch mit durchaus ähnlichen Reizen : Völlig unerwartet – und der historischen Logik folgend unmöglich – steht hier eine offenbar völlig intakte mittel­ alterliche Burg vor uns, nicht in der retrospektiven bildlichen Dar­ stellung, sondern gegenwärtig, in allen Details greifbar, physisch anwesend. Lebendig ist Kreuzenstein nicht durch das Stillhalten der Körper, denn das lebende Bild, das wir sehen und obendrein auch noch betreten können, ist menschenleer. An die Stelle der Menschen, das wurde bereits gesagt, sind hier die Dinge getreten. Und im Gegensatz zum herkömmlichen Tableau vivant, das sei­ nem Wesen nach flüchtig ist und bestenfalls durch fotografische Reproduktion verewigt wird,633 sollte in Kreuzenstein auch nach Stunden, Jahren und Jahrzehnten alles an seinem Platz bleiben. Auch abseits von Kreuzenstein trat Wilczek als Gestalter Le­ bender Bilder auf : Der Huldigungs­ Festzug anlässlich des sech­ zigsten Thronjubiläums Kaiser Franz Josephs am 12. Juni 1908, ein gleichsam in Bewegung versetztes Tableau vivant, bildete einen späten Höhepunkt im öffentlichen Leben Wilczeks. 〚 9 〛 Es war, so heißt es im offiziellen Programm, die Absicht, dem Kaiser » die Vergangenheit des berühmten Hauses, dessen erhaben­ würdiges Mitglied er ist, in farbenprächtigen, vergangene Wirklichkeit fast neu schaffenden, lebendig bewegten Bildern zu zeigen. Die Ver­ gangenheit Österreichs huldige dem großen Nachkommen, das sollte der Sinn des Zuges sein [ … ]. «634 Die zahlreichen Parallelen zwischen dem Huldigungs­ Festzug von 1908 – » ein kulturhisto­ risches Bild voll Farbe und Pracht «635 – und dem Holzschnitt­ Tri­ umphzug Kaiser Maximilians I. gehen auf Wilczek als den Kon­ zepteur des Festzugs zurück, der mit der Reinszenierung habs­ burgischer Geschichte in Form mobiler tableaux vivants und der Huldigung der Völker den Triumphzug des » letzten Ritters « als » Mummerei « nun endlich in die dritte Dimension umsetzte. Die 206 Mediale Korrespondenzen
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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