Seite - 209 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Wirkung bei einem großen Publikum ausgerichtet, suggerierte es
historische Treue und damit Authentizität, ermöglichte aber in je
dem Fall den Betrachtern mit malerischen Mitteln, an einem be
stimmten, historisch mehr oder weniger bedeutenden Augenblick
der Geschichte teilzunehmen. Auch vor dem Hintergrund der spe
zifischen formalen und medialen Eigenschaften zeitgenössischer
Historienbilder wurde Kreuzenstein als dreidimensionale Reprä
sentation eines historischen Schauplatzes konzipiert, die den Fo
kus weg von der Handlung und hin zu den überreich vorhande
nen Requisiten lenkt. Die heute kaum mehr nachvollziehbare
öffentliche Wirkung von Historiengemälden und ihren spezifi
schen medialen Eigenschaften konnte der Bauherr von Kreuzen
stein 1873 anlässlich der sensationellen Präsentation eines Monu
mentalgemäldes seines Freundes Hans Makart im Wiener Künst
lerhaus studieren : Für das extreme Breitformat » Venedig huldigt
Caterina Cornaro «644 ( 400 × 1 060 cm ) 〚 124 〛 wurde in einem vom
Künstler selbst entworfenen Arrangement der gesamte Saal durch
schwarzes Tuch verdunkelt und die Oberlichte nur direkt vor dem
Gemälde an der Stirnwand geöffnet, sodass » dem an sich sehr
großen Effect des Bildes einigermaßen noch nachgeholfen «645
wurde. Dies erzeugte eine » magische Wirkung « beim Betrachter,
wie selbst der Rivale Anselm Feuerbach eingestehen musste.646 In
der räumlichen Anordnung wurde hier bereits die Disposition des
Kinos vorweggenommen. Nach dem Ende der Präsentation wurde
die Leinwand eingerollt und in die nächste Stadt geschickt. » Cate
rina Cornaro « war so bis zu ihrem Ankauf durch die Berliner Nati
onalgalerie 1877 nahezu ununterbrochen auf Tournee.647 Das Ge
mälde, darin waren sich schon die Zeitgenossen einig, war indes
kein Historienbild im engeren Sinn : Das Thema war nicht Anlass
zu getreuer historischer Rekonstruktion, sondern Ausgangspunkt
einer virtuosen künstlerischen Interpretation, die sich in der Mal
weise wiewohl auf die venezianische Kunst des 16. Jahrhunderts
berief, » deren Traditionen hier vollständig zum Leben erweckt
〚 124 〛 Hans Makart, » Venedig huldigt Caterina Cornaro «, 1873, Radierung von
William Unger nach dem Gemälde in der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien
209Tableau
vivant, Panorama, Historienbild
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258