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Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 081
Offensichtlich durfte sich die Mannschaft jedoch nach wie vor nicht in völliger Sicher-
heit wiegen. Denn am 9. Jänner berichtet Rolf, dass eine Granate in den Offiziersunter-
stand eingeschlagen habe und es Tote und Verletzte gab. Allerdings kam es durchaus
auch vor, dass die wirkungsvollen Ekrasit-Granaten als Rohrkrepierer eigene Geschüt-
ze zerstörten. (Abb. 51)
Im Februar 1915 ergab sich für Rolf die Gelegenheit, ein neues Aufgabengebiet zu
übernehmen. Als ein Maschinengewehrkurs angeboten wurde, meldete sich Rolf so-
gleich, da ihn einerseits die technischen Aspekte dieser noch neuen Waffengattung in-
teressierten und er andererseits froh war, für einige Zeit dem Kriegsalltag der Artille-
rie mit den dauernden Stellungswechseln und kräfteraubenden Märschen zu entfliehen.
Die Teilnehmer an diesem Kurs hielten sich zunächst in Sufszyn in der Nähe von Wojni-
cz auf. »Wohnen in der Schule von Sufszyn. Haben nichts zu Essen; Pferde kein Futter.«
Ab 20. Februar erfolgte die Ausbildung im nahe gelegenen Olszyny am Dunajec. »Die
Zwischenzeit sitzen wir alleine in Olszyny; ohne Verpflegung für uns, Diener und Pferde.«
Nach Beendigung dieses Kurses erhielt Rolf 14 Tage Heimaturlaub. Umgehend reiste
er nach Wien, um von dort nach Kronstadt in Rumänien zu gelangen, wo ihn seine Frau
und seine kleine Tochter ängstlich und sehnsüchtig erwarteten. Die gemeinsamen Tage
mit seiner Familie erwähnt Rolf in seinem Tagebuch dann bezeichnenderweise mit kei-
nem Wort, und so bleiben die Gespräche und Begegnungen mit Freunden und verschie-
denen Familienmitgliedern ebenso im Dunkeln wie Rolfs Gefühle für seine Frau und Toch-
ter, von denen er fast acht Monate getrennt gewesen war. Hingegen notiert Rolf genau
die Abfahrts- und Ankunftszeiten in Krakau, Wien und Kronstadt, und er hält penibel
fest, dass er einen Brief sowie drei Telegramme an seine Frau abgesendet hat, um sei-
ne Ankunft anzukündigen. Lediglich ein dick gezeichnetes Rufzeichen und der zweifach
unterstrichene Satz: »Ankunft Mädis !« am 18. April 1915 lässt auf Rolfs Emotionen schlie-
ßen, und ebenso das kräftige Rufzeichen bei der Eintragung an seinem Abreisetag vom
28. April: »Mädi mit Mutter und Greta am Nordbahnhof !« Immerhin hat Rolf aber das
erste Mal wieder den Kosenamen für seine Frau niedergeschrieben, was in Anbetracht
seiner sonstigen Sachlichkeit durchaus als Gefühlsbekenntnis gewertet werden kann …
Die Schlacht von Tarnow-Gorlice
Nach Beendigung seines Heimaturlaubs langte Rolf am 30. April wieder bei seiner Ein-
heit an. Er war nun Kommandant einer Maschinengewehrabteilung des 2. k. u. k. Tiroler
Jägerregiments, zumeist Kaiserjäger genannt, die der Schweren Haubitzdivision Nr. 14,
die Rolf zuvor befehligt hatte, als Begleitschutz zugeteilt wurde. Rolf wurde unmittelbar
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273