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Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern |
125Bibliotheken,
Manuskriptenzimmer und Sammlungsräume
Sammlungsräume
Schließlich soll den zeitgenössischen Sammlungsräumen noch ein kurzer Abschnitt
gewidmet werden, da im folgenden Katalog mit dem Physikalien- und Mineralien-
kabinett im Stift Seitenstetten ein Beispiel vorgestellt wird (Abb. 253, 254). Auch
bei diesen Räumen handelt es sich um prachtvoll ausgestattete Zimmer, doch an-
ders als in vielen Bibliotheken dominiert in Seitenstetten die Tischlerausstattung über
die Architektur. Während die Vitrinentische in der Raummitte vermutlich auf das
frühe 19.
Jahrhundert zurückgehen, werden die Möbel vor den Wänden auf die späten
1760er-Jahre zu datieren sein. Allerdings ist auch in Verbindung mit den Schrankgar-
nituren von einer nachträglichen Umgestaltung auszugehen.341 Die Möbel bestehen
aus Unterschränken mit Schüben, über denen mit hohen Rundgiebeln bekrönte Glas-
schränke folgen. Glatte furnierte Flächen bestimmen ihr Aussehen, feine Schnitzor-
namente sind auf die verzierten Rahmen beschränkt, die die Scheiben einfassen. Beim
Bau des Mobiliars wurden bereits frühe klassizistische Einflüsse wirksam. Einerseits
manifestieren sie sich in der Zurücknahme der Schnitzarbeiten, andererseits wurden
hier die Schubkastenvorderstücke nicht mehr in Rahmen und Füllungen unterteilt,
was bei früheren Möbeln zu beobachten ist, sondern sie sind bereits als Einheit inter-
pretiert. Folgerichtig ist das Furnier an den Schubladen auch nicht in der Richtung des
Blindholzes aufgelegt, sondern senkrecht dazu. Teilweise ist es sogar über die Fronten
der Laden von unten nach oben durchgezogen, eines der Charakteristika von Möbeln,
die in den Jahrzehnten um 1800 entstanden. Stilgeschichtlich ist das Mobiliar des
Sammlungsraums am Übergang vom Spätbarock zum frühen Neoklassizismus anzu-
siedeln.
Hinsichtlich der Art der Präsentation fällt in den Sammlungsräumen von Seiten-
stetten auf, dass der kostbare Inhalt der Möbel teils versteckt, teils offen, wenn auch
hinter Glas, aufbewahrt wird. Die Exponate werden wohlgeordnet und mit einigem
Abstand voneinander präsentiert, sodass jedes als Einzelstück in Erscheinung tritt. Ei-
nige werden von Postamenten gestützt oder liegen auf Regalbrettern, die überwiegende
Mehrzahl der Objekte ruht aber auf kegelförmigen Konsolen, die an den Rückwänden
der Möbel befestigt sind. Die Einrichtung der Sammlungsräume in Seiten stetten und
die Präsentation der Ausstellungsstücke steht damit schon ganz im Zeichen der Auf-
klärung
Wie anders zeigt sich da die leider zum größten Teil verlorene Ausstattung der frü-
heren Kunst- und Wunderkammer im Stift Göttweig ! Eingerichtet um 1730, ist ihre
Gestaltung immerhin durch einen Stich von Salomon Kleiner (1703–1761) aus den
341 Hierzu die relevanten Angaben im Katalogteil des Buches.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693