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Die Entwicklung des Kirchenmobiliars |
83Zur
Geschichtede Chorgestühle
im Zentrum des Geschehens befinden, auf ihn hatte sich die Aufmerksamkeit der Kir-
chenbesucher zu richten. Damit gab man den polyzentrischen Aufbau des hochmit-
telalterlichen Kirchenraums auf, womit die Raumstruktur der Kirchen einer erneuten
Modifikation unterlag, nun gemäß der Liturgiereform des Tridentinums.179 Folge da-
von war die Entfernung der Lettner aus fast allen österreichischen Kirchen. Ein Chor-
gitter oder eine Kommunionbank riegelt seitdem die Chorgestühle vom Laienraum ab.
Da viele Lettner nicht nur der Trennung des Kirchenraums gedient hatten, sondern
auch als Bühne für Chor und Orgel, musste für Sänger und Instrumente ein neuer
Platz in der Kirche gefunden werden.180 In Lilienfeld, Zwettl und Wilhering bilden
kleinere Instrumente den Abschluss des Gestühls zum Laienraum hin (Farbtaf. 32 ;
Abb. 393), gegenüber befindet sich die Kanzel. In St. Florian (Farbtaf. 28) und Klos-
terneuburg steht die Chororgel auf einer Empore über dem Chorgestühl, in Schlägl
teilt sie die Nordseite des Gestühls in zwei Hälften (Abb.
372). Dagegen fanden große
Orgelwerke auf den Westemporen Platz, die man in den hier untersuchten Kirchen-
räumen meist erst im 17. Jahrhundert eingezogen hatte. Und auch die Sänger stellten
sich fortan auf Emporen auf, die im Westen über dem Eingangsjoch, im Norden und
Süden über den Seitenschiffen oder im Chor über dem Gestühl verortet waren.
Aus heutiger Sicht entstanden demnach Chorgestühle und Lettner innerhalb einer
relativ kurzen Zeitspanne, weshalb noch zu ergründen wäre, ob dieser Umstand nicht auf
einem ursächlichen Zusammenhang beruht. Im Gegensatz zu dieser Feststellung zeich-
net jedoch die ältere Literatur eine ununterbrochene Entwicklungslinie von den Sitzbän-
ken in den Apsisbogen altchristlicher Basiliken bis hin zu den heutigen Stallenreihen.181
Allerdings kann dieser Theorie schon deshalb nicht beigepflichtet werden, da im frü-
hen Christentum Klerikergemeinschaften im modernen Sinne unbekannt waren, sodass
Chorgestühle oder vergleichbare Ausstattungsstücke noch nicht benötigt wurden.182 Au-
ßerdem fehlen Denkmäler, die die von der früheren Forschung aufgestellte Hypothese
stützen würden. Vermutlich waren gewöhnliche Stühle oder Sitzbänke im Langhaus für
die Bedürfnisse der Mönche bis weit in das Hochmittelalter hinein ausreichend.
Aufstellung und Großformen
In etlichen Welt- und Ordenskirchen haben sich Gestühle im Osten hinter dem Al-
taraufbau erhalten. Vergleichbar mit dem Mönchschor der Wiener Franziskanerkirche
179 Engelberg, Renovatio ecclesiae (2005), 179–182 ; Profous, Barockisierung (2008), 33.
180 Zu den vielfältigen Funktionen der Lettner vgl. auch Braun, Lettner (2010).
181 Busch, Chorgestühl (1928), 5–6.
182 Winterfeld, Chorgestühl (1999). Zur Geschichte des Mönchstums vgl. Schwaiger/Heim, Orden
(2002), bes. 9–56 ; Frank, Geschichte (2010), 20–108.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693