Seite - 40 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
40 | Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten
den Gemeindemitgliedern und Untertanen gegenüber durchaus bewusst. Im Klos-
ter Baumgartenberg sollen etwa 1696 weit über 3200 Personen um Almosen nachge-
sucht haben. Darunter befanden sich abgedankte Soldaten, arbeitslose Schulmeister,
Handwerksgesellen, Studenten und Musikanten.41 Ein anderes Beispiel ist das Klos-
ter Seitenstetten, das jährlich an einem bestimmten Festtag bis zu 9000 Essenspor-
tionen an die Bevölkerung verteilte.42 Ähnliches wird von den übrigen Landesteilen
Österreichs zu berichten sein.43 Die Stifte kümmerten sich um die Versorgung ihrer
Untertanen mit dem Lebensnotwendigen. Schon wirtschaftliche und soziale Gründe
sprachen deshalb dafür, anfallende Arbeiten nicht durch fremde Kräfte, sondern durch
Handwerker aus der Nachbarschaft ausführen zu lassen. Tatsächlich begründeten die
Prälaten den kostspieligen Bau von Klosterresidenzen und prachtvollen Schlössern im
18. Jahrhundert unter anderem damit, dass sie die exorbitanten finanziellen Ressour-
cen, die ihnen zur Verfügung standen, zur Verbesserung der allgemeinen ökonomi-
schen Rahmenbedingungen in den Wirtschaftskreislauf des Landes einfließen lassen
würden. Indem sie ihre Untertanen in Brot und Lohn setzten, gaben sie der Bevölke-
rung wenigstens einen Teil von dem zurück, was sie zuvor durch Steuern und andere
Abgaben eingenommen hatten.44
Zur Grösse der Werkstätten
Was für die Stiftstischlereien in Österreich galt, traf in einem wesentlichen Punkt auch
für die von den Prälaten beauftragten Meister externer Handwerksbetriebe zu : Die
Autorität der Äbte entband sie von den Gesetzen der Zunft. Damit waren sie von ge-
wissen Abgaben und Steuern dispensiert und konnten bei Bedarf eine größere Anzahl
von Mitarbeitern als ihre zünftigen Kollegen einstellen, was namentlich bei anspruchs-
vollen und umfangreichen Aufträgen notwendig gewesen sein mag. Beispielsweise zog
die Stiftstischlerei in Klosterneuburg zwischen 1723 und 1725 zur Herstellung des
Chorgestühls (Farbtaf. 12, 13 ; Abb. 174–176) den Archivalien zufolge nicht weni-
41 Weinberger, Wilhering (1992), o. S.
42 Wagner, Stiftergedächtnis (1976), 689. In Kremsmünster wurden einmal im Jahr bis zu 100 Ochsen ge-
schlachtet, das Fleisch verschenkte der Konvent an Arme. Pitschmann, Kremsmünster (2001), 178–179.
43 Heiligenkreuz versorgte noch im 19. Jahrhundert Menschen im Armenhaus und Durchreisende mit
Speisen, ja sogar mit Bargeld. 1830 sollen es über 6200 Personen gewesen sein, die von der Mildtätigkeit
des Klosters profitierten. Koll, Heiligenkreuz (1834), 67. Die Tradition der Armenspeisung hält sich in
manchen Klöstern bis heute. In der Aufklärung wurden ihnen diese karitativen Tätigkeiten zum Vor-
wurf gemacht : Mit ihren Massenspeisungen und Geldalmosen, so die Kritik, würden sie ganze Armeen
arbeitsscheuer Müßiggänger unterhalten. Hersche, Muße (2006), Bd. 1, 347.
44 Hersche, ebd., 371.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693