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Methodologische Situierung | 139
S. 290) grundsätzlich verzerrte Abstraktionen. Zugleich sind sie autoritative Ob-
jekte (ibd. S. 289) und machen somit etwas mit ihrem Betrachter, sie verleihen
Macht und können Handeln legitimieren (auch, wie es Denis Wood als Vertreter
einer ‚critical cartography‘ formuliert, um mit Karten bewaffnet Land von ande-
ren zu stehlen). Sie haben den Zweck der Orientierung und eine Kontroll- und
Herrschaftsfunktion. Darin ähneln sie anderen Messinstrumenten, bei denen
Codes und Standards, die Übersetzungs- und Darstellungsprozesse determinie-
ren, nicht hinterfragt werden (Arendt, 2003: S. 20).
Ein kritisch-skeptischer Umgang mit Karten im Bewusstsein der Möglichkei-
ten, die sie als Werkzeuge bieten, kennzeichnet auch den Ansatz von Adele
Clarke. Gerade am Beginn eines Forschungsprozesses geht es nicht darum, über
eine klare Karte Souveränität und Beherrschung zu suggerieren – Offenheit,
Chaos ist für Situationskarten in ihrem ersten, experimentellen Stadium notwen-
dig, um für den Forschenden bzw. die Forschende „zugänglich und manipulier-
bar“ (Clarke, 2012: S. 127) zu sein. Zugleich ist die Unübersichtlichkeit aber
auch unvermeidbar, wenn man als ForscherIn ein neues Gebiet betritt und sich
noch wenig auskennt. Vieles könnte potentiell bedeutend sein.
Die Möglichkeit, komplexe Situationen zu kartografieren, ist zugleich eine
der Schwierigkeiten. Dies betrifft vor allem die Darstellung bzw. deren Lesbar-
keit und Interpretierbarkeit durch Personen, die nicht aus unmittelbar involvier-
ter ForscherInnenperspektive die Karten betrachten. Während des gesamten For-
schungsprozesses, beginnend mit der Auswahl einer Forschungsfrage und eines
Themas, sowohl beim Codieren als auch bei der Analyse und beim Kartografie-
ren, trifft die ForscherIn Entscheidungen. Karten ermöglichen imaginäre wie rea-
le Feldzüge. Diese Entscheidungen sind oft implizit und bleiben daher undoku-
mentiert, gehören aber zu den „personalen Schlüsselkompetenzen“ (Mühlmeyer-
Mentzel, Schürmann, 2011: Abs. 44) eines Forschenden. Diese „Entscheidungs-
freudigkeit“ (ibd., Abs. 44) und das „Zusammenspiel von Verfahrenstechniken
und Interpretationsleistungen“ (ibd., Abs. 7) ist entscheidend für den Fortgang
eines Forschungsprozesses nach der Grounded Theory. Ich würde ergänzen, dass
dies auch einen reflektierten Umgang mit Unsicherheit beinhaltet, die den For-
schungsprozess begleitet.
Letztlich sind alle genannten Techniken analytische Werkzeuge, die einen unter-
schiedlichen Umgang mit den qualitativen Daten ermöglichen. Dieser basiert auf
den reflexiven, analytischen und technischen Kompetenzen der Forscherin und,
in einem Doktoratsprojekt wesentlich, der Unterstützung durch die BetreuerIn-
nen. Software (Mühlmeyer-Mentzel, Schürmann, 2011) wie qualitative Analy-
sesoftware, Visualisierungstools (wie Draw) oder Ordnungstools (wie Excel)
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293