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212 | Cultural Governance in Österreich
ten). Kulturförderung bezieht sich nicht auf den wahren Wert oder Preis der Ar-
beit bzw. Dienstleistung (als Kompromiss zwischen der Welt des Marktes und
der industriellen Welt). Ein freiwilliger Beitrag, eine Investition der Kulturschaf-
fenden als Dienst am Gemeinwohl („Ehrenamt“) stabilisiert dieses Arrangement
(Boltanski, Thévenot, 2014: S. 369). Die Wirkung der Kürzung ist daher demo-
ralisierend im Hinblick auf die öffentliche Anerkennung der Arbeit von Kultur-
vereinen, KünstlerInnen und Kulturschaffenden. Trotz der unmittelbaren Betrof-
fenheit werden die Adressaten der Subventionen (im Kulturbereich die Kultur-
vereine, KünsterInnen und Kulturschaffende) nicht aktiv in die Debatte einbezo-
gen. Sie haben keine eigene Stimme, versuchen jedoch, sich über E-Mails an die
MandatarInnen Gehör zu verschaffen. Diese Form der Kommunikation findet
jedoch nicht in der staatsbürgerlichen, öffentlichen Sphäre statt, sondern ist in
die private Sphäre verlagert und individualisiert. Der Stadtkulturbeirat positio-
niert sich als kollektiver Fürsprecher, kann sich jedoch auch nur indirekt in die
Debatte einmischen bzw. dagegen protestieren.
In der Auseinandersetzung zwischen Kulturstadtrat und Finanzstadtrat ist ein
parteipolitischer Machtkampf (Konkurrenzbeziehung in der Welt des Marktes
(Boltanski, Thévenot, 2014: S. 270)) nachvollziehbar, der auch über die politi-
sche Bedeutung der jeweiligen Ressorts ausgetragen wird (die Marginalität des
Kulturressorts und der ÖVP gegenüber dem hohen Status der SPÖ und des Fi-
nanzstadtrats). Die Kürzung im Kulturbereich wird somit eine symbolische Are-
na der Auseinandersetzung, in die öffentlicher Antagonismus kanalisiert wird.
Dies hat somit auch eine legitimierende Funktion (nach dem Motto: Wir haben
es uns nicht leicht gemacht). Die Diskussion bei der Sitzung des Gemeinderats
ist symbolisch beziehungsweise ein routinisierter Akt. Es geht nicht mehr um die
Inhalte (inhaltliche politische Kritik am Sparkurs wird von der Opposition, den
Grünen und der KPÖ vorgetragen (Gemeinderat der Stadt Linz, 2014), aber nicht
von der ÖVP), sondern nur noch um die geeigneten Methoden. Die parteipoliti-
schen Gegner, die innerhalb der Stadtregierung auf Zusammenarbeit angewiesen
sind, positionieren sich dabei autoritär als Experten und Herren im eigenen Be-
reich. Das Dilemma der Gerechtigkeit wird in die häusliche Sphäre verlagert.
Ein paternalistischer, fürsorglicher Gestus verdeutlicht, dass die Betroffenen
keine Chancen auf Mitsprache in einer demokratischen Aushandlung bekom-
men, sondern als Bedürftige behandelt werden. Die Betroffenen und ihre Per-
spektive werden nicht einbezogen – sie werden sowohl durch den paternalisti-
schen Gestus als auch durch die Opportunität des autoritären Handelns als ent-
scheidender Referent vom Entscheidungsverfahren ausgeschlossen. Daher kann
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293