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ches Handeln, das über Daseinsvorsorge legitimiert wird, sowohl Kritik aus der
staatsbürgerlichen Welt (Kritik am paternalistischen und autoritären Gestus ge-
genüber den BürgerInnen – ein Kulturangebot schaffen und erhalten, das aus
staatlicher Sicht gut für sie ist) als auch Kritik aus der Welt des Marktes ausge-
setzt (Eingriff in die Marktordnung, Blockade eines freien Marktes) (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 355).
Die Stadt als staatsbürgerlich-industrielles Gemeinwesen privilegiert sich
selbst auch auf dem Markt. Eine solche Selbstprivilegierung ermöglicht staatli-
che Interventionen in meritorische Güter wie Kunst- und Kultureinrichtungen.
Diese werden in einer Analyse des Instituts für höhere Studien (IHS) wie folgt
begründet:
• „Meritorische Güter weisen stets externe Effekte auf. In dieser Hinsicht sind
sie Bestandteil der ‚social goods‘, deren Bereitstellung durch den Staat er-
wünscht und gerechtfertigt ist.
• In bestimmten Fällen ist es gerechtfertigt, dass eine Gruppe von informierten
Individuen ihre Entscheidungen anderen Personen auferlegt. Diese Gruppe
sollte aber demokratisch legitimiert sein.
• Durch staatliche Aktivitäten kann den individuelle Präferenzen verzerrenden
Mechanismen (z.B. Werbung) entgegengewirkt werden.“ (Felderer u.a., 2008:
S. 15)
Ertragskraft, finanzielle Leistungsfähigkeit, Investitionstätigkeit sowie die
Schuldensituation (Zentrum für Verwaltungsforschung, 2015) sind relationale
Konzepte, die die Gemeinde über Kategorien der industriellen Welt (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 278) beschreiben. Kennzahlen und Quoten, die Messindika-
toren, die als wesentliche Evidenzen dieser Konzepte Vergleiche zulassen, sind
der industriellen Welt zugehörig (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 285). Mit Tabel-
len, Grafiken, Schemata als Mittel bzw. Objekte (Boltanski, Thévenot, 2014:
S. 280) der Organisation, des Vergleichs und der Kontrolle wird die Gemeinde
darstellbar und beherrschbar. Hier manifestiert sich, was bereits Max Weber mit
der Rationalisierung der Herrschaft beschrieben hat: Ordnung, Versachlichung
und Regelmäßigkeit im Betrieb kennzeichnen kommunales Handeln unter
Rechtfertigungsprinzipien in der industriellen Welt. Beurteilt wird hier anhand
der Effizienz des Betriebs (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 285). Durch diese Be-
züge zur industriellen Welt können politische AkteurInnen ihre Entscheidungs-
und Handlungsspielräume, gerade wenn es um Budgetentscheidungen geht, als
variabel darstellen, indem sie beispielsweise auf einen Automatismus (‚ökono-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293