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264 | Cultural Governance in Österreich
• Engagement im Sinne von Kritik: tendenziell kritische Haltung gegenüber Po-
litikerInnen, Erwartung geringer Reaktionsbereitschaft seitens der PolitikerIn-
nen, niedrige Frustrationstoleranz, Verfolgen von idealistischen Zielen
Diese Modi des Engagements sind nicht im Sinne von Typen als Festlegungen
zu interpretieren, sondern als prinzipielle Handlungsmöglichkeiten, derer sich
Personen, hier die Mitglieder von Beiräten, situativ bedienen können bzw. die
anhand der generierten Daten herausgearbeitet werden konnten. Handlungen
sind weder typisch (individuell) noch systemisch (gesellschaftlich), sondern ba-
sieren auf der Koordination zwischen Anerkennung und Engagement (Thévenot,
2010).
Diese Unterschiede hinsichtlich der Modi des Engagements bzw. der Selbst-
verpflichtung sind Ausdruck von Segmentierungen innerhalb der Sozialen Welt
(etwa zwischen den „Progressiven“ und den „Konservativen“, KBLI). Aus die-
sem Grund kommt es in der Sozialen Welt der Beiräte sowohl auf Ebene der
Kommunikationsprozesse als Fortführungsprinzipien („going concerns“) als
auch auf Ebene der Ideologien und Zielsetzungen zu Auseinandersetzungen. Die
internen Kommunikationsprozesse werden oft als zäh wahrgenommen und be-
dürfen jedenfalls einer kompetenten Moderation und Steuerung, um sie am Lau-
fen zu halten. Dabei geht es sowohl darum, eine gemeinsame Begrifflichkeit zu
entwickeln, wenn die professionellen Codes der Beiratsmitglieder aus unter-
schiedlichen Bereichen divergieren (KBG), als auch darum, übergeordnete bear-
beitbare Themen zu finden, die zu einer gemeinsamen Selbstverpflichtung der
Beiratsmitglieder beitragen. Umgekehrt sollen nicht bearbeitbare („unteilbare“
(Hirschmann, 1994: S. 302)) Konflikte in den Hintergrund rücken, um die Ko-
operation nicht zu gefährden. Auch hier ist der Unterschied zu den Fachbeiräten
deutlich, die sowohl von ihrer Thematik klar auf einen Bereich und einen Zweck
(Empfehlung bzw. Nicht-Empfehlung für einen Förderantrag anhand ausdiffe-
renzierter Kriterien ausgerichtet sind) als auch von ihrem professionellen Hinter-
grund (ihren beruflichen Sprachcodes), ihrer soziokulturellen Positionierung und
ihren Wertvorstellungen her tendenziell homogener zusammengesetzt sind
(Gray, 2012: S. 513; Zembylas, 2017b).
Während in der repräsentativen Demokratie die politische Führung als Garant
für Stabilität steht, ist die deliberative Demokratie auf das Prinzip der vertiefen-
den und verbreiterten Aushandlung als stabilisierendes, aber dynamisches Ele-
ment einer lebendigen Demokratie ausgerichtet. Die deliberative Demokratie hat
das Moment des Zweifels und der Kritik verinnerlicht, damit die prinzipielle Re-
formierbarkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse gewährleistet werden kann.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293