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baren konnte, „die zwar davon spricht, sich kulturell und gesellschaftlich zu öff-
nen, aber gleichzeitig gezielt einzelne Menschengruppen ausschließt und ver-
folgt“ (Diesenreiter, 2016). Diese Entscheidung macht das Dilemma deutlich,
dass es für individuelle AkteurInnen bestimmte politische Entscheidungen geben
kann, die mit ihren ethischen Grundsätzen nicht vereinbar sind. Eine engagierte
Zusammenarbeit mit den politischen EntscheidungsträgerInnen, noch dazu aus
einer ehrenamtlichen Position heraus, ist konsequenterweise nicht möglich.
Hier manifestiert sich ein Dilemma zwischen persönlichen ethisch-normati-
ven Grundsätzen gegenüber einer als Unrecht empfundenen Situation und dem
Interesse, auf kulturpolitische Entscheidungen durch Dialog und Beratung Ein-
fluss zu nehmen. Ist Kritik von innen – als Teil eines durch das Wohlwollen der
Regierenden bestehenden Beirats – oder von außen, als Teil einer kritischen Öf-
fentlichkeit wirksamer? Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden,
denn sie ist von der wandelbaren Beziehung zwischen Politik und Zivilgesell-
schaft und vom Wechselverhältnis zwischen Engagement und Anerkennung ab-
hängig (Thévenot, 2010). Ableiten lässt sich daraus: Governance funktioniert
nur, wenn die zivilgesellschaftlichen AkteurInnen mit den ethisch-normativen
Dispositionen der Regierenden grundsätzlich einverstanden sind und keine un-
teilbaren Konflikte auftreten. Ansonsten wird Kooperation zu Konfrontation.
Der Modus der Governance wird zum Modus des Aktivismus. Wenn einzelne
KritikerInnen es vermögen, andere zu inspirieren und zu mobilisieren, entsteht
kollektiver Widerstand.
Am Linzer Beispiel zeigt sich, dass das generelle politische Gesprächsklima in
der Stadt im Betrachtungszeitraum 2013-2016 eisiger geworden ist und es für
den Stadtkulturbeirat entsprechend schwieriger geworden ist, mit der Stadtregie-
rung, die auf einem autoritären Austeritätskurs beharrt, einen konstruktiven Dia-
log zu führen. Zu politischen Differenzen auf kommunaler Ebene hat auch die
Wahl einer schwarz-blauen Landesregierung in Oberösterreich beigetragen.
Kontroverse kulturpolitische Entscheidungen, ob es beispielsweise um die Redu-
zierung des Linz Fests auf einen Zweijahresrhythmus (Gemeinderatsentschei-
dung am 21.4.2016), den Fortbestand des Atelierhauses Salzamt, die Schließung
der Medienwerkstatt, die Einsparungen bei den Volkshäusern, die Reduktion von
Bibliotheksstandorten und die Senkung von Zuschüssen für Volkshochschulen
und Musikschulen ging – konnten mit einer Mehrheit aus FPÖ- und SPÖ-
Stimmen im Gemeinderat durchgesetzt werden. Dafür wurde kein Dialog mit
den Betroffenen oder eine Beratung durch den Stadtkulturbeirat gesucht, statt-
dessen wurden politische Differenzen auf individueller, informeller Ebene oder
über die Medien ausgetragen.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293