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dus der retrospektiven Kritik und Verteidigung. Die Reaktionsfreudigkeit
(responsiveness) als Kernmerkmal der demokratischen Qualität deliberativer
Prozesse ist ebenfalls nur schwach ausgeprägt.
Die Zieledefinitionen für Kulturpolitik als Voraussetzung von kooperative
Governance-Prozesse sind kaum von langfristigen Überlegungen und Entwick-
lungsplanungen, sondern eher von Reaktionen auf Vorgaben der Finanzplanung,
persönlichen Schwerpunktsetzungen, die in der Regel mit der ideologischen
Ausrichtung der Partei konform und im Hinblick auf die anvisierte WählerIn-
nenschaft populär sind, geprägt.
Kulturpolitische Dialoginstrumente wie die Linzer Kulturentwicklungspla-
nung und die Grazer Kulturdialoge sind als kommunikative Prozesse bedeutend
für die Kultivierung einer Dialog- und Debattenkultur in der Stadt, letztlich aber
unverbindlich im Hinblick auf die tatsächlichen politischen Entscheidungen. Sie
dienen den PolitikerInnen vielmehr zur Legitimation ihrer Entscheidungen bzw.
zur Kritik aus Oppositionssicht und somit als Feigenblatt der Demokratie. Dass
die von und mit der Zivilgesellschaft erarbeiteten Vorschläge von der Politik
nicht aufgegriffen werden (die Wahrnehmung, dass die Politik nicht zuhört oder
die Vorschläge uminterpretiert), reduziert im Wechselverhältnis von Anerken-
nung und Engagement die künftige Bereitschaft der BürgerInnen, sich in diesen
Prozessen zu engagieren und ihr Wissen der Politik und der Stadtgemeinschaft
zur Verfügung zu stellen. Desengagement wiederum wirkt bisweilen stabilisie-
rend auf den Status quo.
Die Kommunikation zwischen zivilgesellschaftlichen KulturakteurInnen,
Verwaltung und Politik im informellen Raum bekommt demgegenüber mehr
Gewicht, da man sich über diese informellen Treffen Vertrauen und gegenseiti-
ger Loyalität versichert und einen Informationsvorsprung als individuellen Vor-
teil in einer Arena erhofft, die sich um die Konkurrenz unterschiedlicher, in sich
stark segmentierter Sozialer Welten um öffentliche Ressourcen bewegt. Die so-
zialen, kulturell-kognitiven Beziehungen um Kultur als öffentliches Gut werden
somit individualisiert und privatisiert – was der strukturell-regulativen Privatisie-
rung der Kulturbetriebe und der Kulturförderung als privatrechtliche Beziehung
zwischen Staat und FörderwerberInnen entspricht. Wie weit die Arena für politi-
sche Aushandlung und Deliberation geöffnet wird, hängt somit mangels regula-
tiver Vorgaben oft vom guten Willen der Politik und Verwaltung und von indi-
viduellen Personen bzw. situativen Konstellationen ab. Allerdings wurden Mit-
spracherechte und Mechanismen der Machtkontrolle wie Gremien und Beiräte
nicht immer freiwillig gegeben, sondern auch „bottom-up“ durch die Kritik an
bestehenden Strukturen errungen. Die Aufkündigung der Kooperation im Sinne
von Governance steht somit auch AkteurInnen aus der Zivilgesellschaft offen,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293