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Abschließendes Fazit | 279
über Inhalte bzw. ideologische Sichtweisen (etwas richtig sehen) austragen, son-
dern auf den Streit über geeignete Methoden (etwas richtig machen) ausweichen.
Parteipolitische Verpflichtungen bestimmen den politischen Antagonismus als
routinisierte, symbolische Handlung im Rahmen von öffentlichen Gemeinderats-
sitzungen, während die Entscheidungen – auch darauf weist die konkrete Situati-
onsanalyse hin – bereits im Vorfeld in geheimen Aushandlungen hergestellt
wurde. Kritik von nicht-staatlichen AkteurInnen – etwa durch zivilgesellschaft-
lich besetzte Gremien wie den Stadtkulturbeirat – wird in die Argumentation in-
tegriert. Solidarität wird symbolisch und opportun geäußert, allerdings gibt es
keine ernsthafte Intention, gemeinsam mit den KritikerInnen nach besseren Lö-
sungen zu suchen. Die Beratungsaufgaben von zivilgesellschaftlichen Gremien
bleiben so unwirksam, weil sie de facto von Verhandlungsprozessen ausge-
schlossen bleiben. Ihnen bleibt nicht viel mehr übrig, als in einem Forderungs-
bzw. Appellmodus zu agieren. Zeitdruck und Effizienznotwendigkeit wird von
PolitikerInnen aufgebaut. Überrumpelung und Beschleunigung dienen als Herr-
schaftsinstrumente in einer politischen Entscheidungstaktik. Die Rechtfertigung,
einem Automatismus eines rigiden Systems, das von Geld und Zeit angetrieben
wird, ausgeliefert zu sein, dient situativ sowohl dazu, die eigenen Eingreif- und
Handlungsspielräume als PolitikerInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen ein-
zugrenzen (nach dem Motto „wir können nichts tun“) als auch das Eingreifen
von außen (Kritik und Mitsprache) zu verhindern.
Insgesamt überwiegt, wie sich anhand einer Häufigkeitszählung auf Basis
der konkreten analysierten Situation zur Kürzung der Subventionen in Linz dar-
stellen ließ, ein wirtschaftliches Handeln, das anhand von Rechtfertigungsprinzi-
pien aus der industriellen Welt und der Welt des Marktes legitimiert wird. Aus
gender- und machtkritischer Perspektive ist zu ergänzen, dass in Entscheidungs-
situationen und in der Arena der Cultural Governance strukturelle Ungleichhei-
ten (re)produziert werden. Die regulative Säule der Institutionalisierung gewährt
AkteurInnen, die im Rahmen der repräsentativen Demokratie gewählt bzw. legi-
timiert wurden (MandatarInnen), umfassende Entscheidungskompetenz. Sie
können allein bestimmen, inwieweit, wann und worüber sie Verhandlungen mit
zivilgesellschaftlichen Gremien zulassen (Modus, Inhalt, Intensität), wie sie die-
se Gremien besetzen bzw. überhaupt darüber entscheiden, ob diese Gremien
hergestellt und aufrechterhalten werden. Innerhalb der Beiräte bedarf es eines
hohen kommunikativen Integrationsaufwands, um diverse und divergierende
AkteurInnen für eine unentgeltliche Arbeit für das Gemeinwohl zu motivieren.
Insbesondere in Argumentationen und Konflikten manifestieren sich patriar-
chale Gesten, einerseits gegenüber Politikerinnen, andererseits auch gegenüber
der Freien Kulturszene, die als fürsorgebedürftig dargestellt wird. Ähnlich wie
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293