Page - 32 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Image of the Page - 32 -
Text of the Page - 32 -
32 Naturraum Alpen
und Schlammlawinen vertraut, wie die Beschreibung einer Überschwemmung bei
Bobbio in der Vita des Columban zeigt. Ein Bach war über die Ufer getreten und
eine Mure drohte eine Mühle ganz zu zerstören. Der aus Susa stammende Autor
der Vita, Jonas, verglich dieses sehr farbig erzählte Ereignis mit dem Verhalten der
Gewässer in den Alpen : „[…] wie es die Wildbäche zu tun pflegen, die aus den
Bergen der Alpen herabstürzen und durch den Schwall heftiger Regengüsse ver-
größert worden sind […]“.37
Keine Naturkatastrophe, aber bemerkenswert in den Augen der Zeitgenossen
und als übles Vorzeichen gedeutet wurden rötlich gefärbter Regen und Gewässer.
Paulus Diaconus schreibt, dass es um 592 einen sehr strengen Winter gegeben
und im Land der Breonen – also im Inntal – Blut geregnet hatte. Der Fluss Reno
im Apennin wurde ein Blutbach. Diese beiden Ereignisse basieren auf Naturphä-
nomenen, die auch heute noch gelegentlich auftreten können. Die rote Färbung
von Alpenseen und Gletschern wird durch eine Massenvermehrung einer Algen-
art ausgelöst. Eine andere Herkunft der roten Farbe ist die Sahara : Bestimmte
Großwetterlagen können größere Mengen an Saharastaub in den höheren Luft-
schichten bis in die Alpen bringen. Dort zeigen sie sich dann ebenfalls als rote
Ablagerung auf den Gletschern und können einen gelblich gefärbten Regen ver-
ursachen.38
Vegetationszonen
Die Vegetation des Alpenraums hängt stark vom Klima und der Beschaffenheit der
Böden ab. Zusätzliche Einflüsse, die weiter unten genauer erläutert werden, sind
unter anderem Niederschlagsmenge, Hangausrichtung, geografische Lage und
Höhe des Ortes. All dies gemeinsam bewirkt, dass auf sehr kleinem Raum meh-
rere Klima- und Vegetationszonen nebeneinander bestehen. Normalerweise liegen
unterschiedliche Klimazonen in Europa mehrere Hundert Kilometer voneinan-
der entfernt, doch in den Alpen ist es ohne weiteres möglich, innerhalb weniger
Stunden vier oder mehr zu durchqueren. Eine um ein Grad Celsius kältere Region
37 „Cum quodam in tempore fluviolus, cuius superius mentionem fecimus, Bobius nomine, turgidis
aqua rum molibus violenter ac rapaci cursu defluens, ut solent torrentes ex Alpium cacuminibus di-
lapsi et imbrium effusione aucti, ita iste saxorum rupes et arborum congeries nimia vim tumiscens
coacervabat molinumque monasterii rapido cursu subfoedere hac totam iam officinam quatiens di-
merge nitebatur.“, Jonas Vita Columbani II 2 MGH SS rer. Merov. 4 S. 115.
38 Veit, Alpen 90. Typisch ist etwa der Scirocco-Wind, der große Mengen an Saharastaub nach Norden
trägt.
back to the
book Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361