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Routen durch die Alpen 133
chen eisfreien Perioden begangen wurden.90 Auch das römische Heiligtum an die
Götter der Alpen am nördlichen Ende des Thuner Sees, wo die Wege über die
zentralen Schweizer Alpen zusammenführen, deutet auf eine durchaus lebendige
Verbindung Bern–Wallis bzw. Innerschweiz über Grimsel, Furka und Oberalp-
pass.91 Ein alter Saumweg ging von Luzern über den Grimselpass (2.165 m) und
Griespass (2.479 m) nach Domodossola.92 Der heute wichtigste aller Alpenüber-
gänge, der Gotthardpass, wurde hingegen aufgrund der unbegehbaren Schöllenen-
schlucht fast gar nicht genutzt. Erst als dieses Hindernis Ende des 12. Jh. ausgebaut
wurde, konnte dieser Übergang an Bedeutung gewinnen.93
Zentralalpen
Für eine Übersicht der Pässe siehe Abbildung B auf S. 354 am Ende dieses Buches.
Die besten Quellen über die frühmittelalterliche Organisation von Alpentraversen
sind aus Churrätien erhalten. Dies hatte auch einen Grund : Die nutzbaren Pässe
sind niedriger als der Große St. Bernhard, der Weg durch das Gebirge ist relativ
kurz und die Lage der Täler ist ideal für transeuropäische Fernhandelsrouten94 wie
für Pilger und Pilgerinnen. Die Graubünder Pässe Bernardino, Splügen und Julier
wurden alle schon in der Römerzeit genutzt, ausgebaut hingegen waren lediglich
die letzten beiden. Diese Übergänge sind in der Tabula Peutingeriana (siehe Abbil-
dung E am Ende des Buches) und im Itinerarium Antonini aufgelistet.95 Die zen-
trale Drehscheibe des Verkehrs durch Churrätien war das Rheintal und die Stadt
Chur selbst. Am wichtigsten und wohl auch im frühen Mittelalter durchgehend
mit Wägen befahrbar waren der Julier und Septimer, der Splügen konnte wegen
der Via Mala und der Roflaschlucht nur mit Pferd, Esel oder zu Fuß überschritten
werden.96
Die politischen Verhältnisse am äußersten Rand des fränkischen Reiches waren
stabil und die churrätischen Bischöfe pflegten die Übergänge. Mit dem Rhein ab
90 Grosjean (Hg.), Ice-borne prehistoric finds 203 ff.; Suter, Prähistorische und frühgeschichtliche Funde
aus dem Eis 21 f.
91 Martin-Kilcher, Das römische Heiligtum von Thun-Allmendingen 33 f.; Suter, Prähistorische und
frühgeschichtliche Funde aus dem Eis 22.
92 Belegt aber erst ab dem 13. Jh. Zu den historischen Verkehrswegen der Schweiz siehe http ://ivs-gis.
admin.ch/ (20.9.2010).
93 Pauli, Alpen 221 ; Mayer, Die Alpen als Staatsgrenze und Völkerbrücke 13. Spätestens mit dem Bau
des Tunnels Ende des 19. Jh. wurde aus dem einst mühseligen Übergang der einfachste der Alpen.
94 Mayer, Die Alpen als Staatsgrenze 10.
95 Walser, Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit 29 ; Clavadetscher, Verkehrsorganisation 12.
96 Kaiser, Churrätien 177.
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361