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und im Aostatal, aber auch im Susatal und im Isèretal bei Grenoble.295 Erst in
karolingischer Zeit dürfte das Kloster dieser Vorrangstellung verlustig geworden
sein : Im 9. Jh. leitete es kein Abt mehr, sondern ein militärischer Führer, der dux
Nortbertus.296
Das zweite wichtige Kloster der Westalpen entstand 729 direkt am östlichen
Passfuß des Mont Cenis : die Abtei Novalesa. Dieser Konvent wurde zehn Jahre
später durch die Schenkung des mächtigen, fränkischen Patriziers Abbo, ein Ge-
folgsmann von Karl Martell, zu der bedeutendsten Macht entlang der Straße über
den Mont Cenis. Zur Stiftung gehörten Almen im Umland und zahlreiche Güter
in der Maurienne sowie bei Briançon und Gap. Auch im damaligen Reich der
Langobarden befanden sich einige Besitzungen.297 Schon 779 erhält Novalesa von
Karl dem Großen weitgreifende Zoll- und Weiderechte.298
825 ließ Lothar I. auf der Passhöhe des Mt. Cenis ein Hospiz errichten, „ad pe-
regrinorum receptionem“.299 Dieses wurde mit Grundbesitz des Klosters Novalesa
ausgestattet. Die Abtei war vorher selbst für den Weg verantwortlich gewesen. Als
Entschädigung für die Güter erhielt es das Kloster Pagno. Dieses große und wich-
tige Kloster lag ebenfalls an den Südhängen der Alpen und war eine Gründung des
Langobardenkönigs Aistulf im Jahr 750.300
Zentralalpen
Die Graubündner Pässe, die vom Norden über das Alpenrheintal und Chur erreicht
wurden, waren im frühen Mittelalter ebenso bedeutend und viel genutzt wie die
der Westalpen. Die antike Straßenorganisation dürfte deshalb bis in karo lingische
Zeit beibehalten worden sein.301 Im Gegensatz zu den Westalpen gibt es in den
zentralen Alpen zahlreiche gleichwertige Möglichkeiten die Alpen zu queren. Vom
Norden kommend konnte man vom Bodensee über das Rheintal oder von Zürich
aus über den Walensee nach Chur ziehen. Dann eröffneten sich erneut mehrere
Wege, die westlich bei Bellinzona, in der Mitte am Comer See oder östlich über
295 Zufferey, Die Abtei Saint-Maurice Karte 1 ; Theurillat, L’acte de fondation de l’abbaye 85 ff.
296 Theurillat, L’Abbaye de Saint-Maurice d’Agaune 95 ff.; Zufferey, Die Abtei Saint-Maurice 33 f.
297 Testament des Abbo in : Monumenta novaliciensia vetustiora ed. Cipolla 22 und Geary, Aristocracy
38 ff.; Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 248 f. (G. Barruol, H. Falque-Vert). Mehr dazu im
Kapitel „Burgund und Provence“ ab S. 300.
298 DD Kar. 1 Nr. 125 S. 174 ; Monumenta novaliciensia vetustiora 39 f.
299 Monumenta novaliciensia vetustiora 71 ; MGH DD Lo I Nr. 4 vom 14.02.825, S. 61.
300 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 37.
301 Clavadetscher, Rätien im Mittelalter 285 ff.; Siehe auch im Kapitel „Über die Alpen“ ab S. 130 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361