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254 Menschen in den Alpen
das Umland, also das Kärntner Becken, der Raum Salzburg und das angrenzende
Ufernoricum sowie Pannonien, eine ausgezeichnete christliche Infrastruktur auf-
wies.457
Die Ursachen der Aufgabe bzw. Zerstörung der ostalpinen Höhensiedlungen
um das Jahr 600 waren komplex. Hinweise auf eine kontinuierliche Besiedlung
finden sich vor allem an abgelegenen Orten. Dies kann bedeuten, dass an zentra-
ler gelegenen Plätzen die Höhenbauten aufgegeben wurden, da sie unmodern,
aber auch unpraktisch geworden waren.458 Die Eroberungen der Awaren und Sla-
wen dürften am Ende dieser Siedlungsform nur insofern beteiligt gewesen sein,
als sie die Höhensiedlung obsolet machten : entweder durch eine sichere Umge-
bung oder aufgrund anderer herrschaftlicher und organisatorischer Strukturen. Die
Siedlungen in Tallagen hingegen sind nicht leicht zu entdecken, da die intensive
landwirtschaftliche Nutzung aber auch eine kontinuierliche Besiedlung seit dieser
Zeit ihre Spuren überlagern.459
Im Laufe des frühen Mittelalters entstand schließlich ein neuer Typus der befes-
tigten Höhensiedlung, der sich unabhängig von antiken Orten entwickelte. Diese
Burgen waren durch Erdwälle geschützt und unterschieden sich funktional von
ihren antiken Vorgängern, denn sie dienten als ausschließlicher Wohnort der länd-
lichen Eliten und nicht mehr der restlichen Bevölkerung.460
Ländliche Siedlungen und Gutshöfe
Neben der städtischen Siedlung gab es in römischer Zeit noch kleinere Orte, vicus
genannt, die oft an den Straßenkreuzungen entstanden. Die Schwerpunkte dieser
Orte lagen auf Handel und Gewerbe.461 Einige dieser Siedlungen sind als Rast-
platz (mansio, mutatio) oder Zollstellen in den verschiedenen römischen Quellen
überliefert. Vor allem die Tabula Peutingeriana (siehe Abbildung E am Ende des
Buches) ist eine wichtige Hilfe bei der Identifizierung römischer Siedlungen in
den Alpen. In den Ostalpen waren solche Straßensiedlungen beispielsweise Im-
murium/Moosham im Salzburger Lungau am Fuß des Radstädter Tauernpasses,
Grabromagus/Windischgarsten am nördlichen Ausgang des Pyhrnpasses oder
457 Siehe S. 198 ff.
458 Ciglenečki, Höhenbefestigung 127 u.148.
459 Ladstätter, Die materielle Kultur 164.
460 Mitterauer, Warum Europa 131 ; Bekannt sind die Schlagworte „incastellamento“ und „révolution
castrale“. Ein gut erforschtes Beispiel findet sich in den Westalpen am Lac Paladru : Colardelle/
Verdel, Chevaliers-paysans de l’an mil au lac de Paladru.
461 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 771.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361