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Christentum 203
lische Prospektion ergab eine auffallende Ähnlichkeit des Grundrisses der spätanti-
ken Kirche unterhalb Maria am Anger mit dem der südlichen Kirche der östlichen
Doppelkirchenanlage des Hemmaberges. Vielleicht war der Hemmaberg das Ziel
wohlhabender Flüchtlinge aus Ufernoricum, die hier eine Kopie ihrer verlorenen
Kirche bauten.175 Beim Hemmaberg können neuere Erkenntnisse nur durch ar-
chäologische Befunde gelöst werden, da die historischen Erklärungen mangels
Quellen zu spekulativ sind. Dieses christliche Zentrum ging nach der Eroberung
der Awaren und Slawen ganz unter. Allerdings behielt der Raum auch unter sla-
wisch-awarischer Herrschaft seine Bedeutung, und die Erinnerung an die antike
Siedlungsstruktur blieb im Namen Jaunberg vom römischen Iuenna erhalten.176
Wie bei Teurnia wurden die spätantik-christlichen Traditionslinien allerdings in
karolingischer Zeit offenbar nicht wieder aufgegriffen.177
Das Christentum in den nördlichen Voralpen – Neugründung oder Kontinuität ?
Der Untergang der Bistumsstruktur im Ostalpenraum brachte einen erneuten
Schlag gegen die ohnehin schon auf eher schwachen Füßen stehende kirchliche
Organisation des nördlichen Alpenvorlandes. Die eingewanderten Alemannen
pflegten anfangs ebenso heidnische Traditionen wie die Menschen, die in das heu-
tige Bayern gezogen waren. Dennoch gab es schon im 6. Jh. christliche Traditionen
im Alpenvorland, die nicht aus den lokalen, spätrömischen Traditionen entstamm-
ten. Die seit Anfang des 6. Jh. katholischen Merowinger hatten um 555 den ersten
Herzog Baierns, Garibald, eingesetzt. Er war daher sicherlich ein Christ, ebenso
wie seine Frau Waldarada und das Gefolge. Seine Tochter Theudelinde förderte
als Ehefrau zweier langobardischer Könige bei den arianischen Langobarden den
katholischen Glauben. Sie war es vielleicht auch, die den irofränkischen Missionar
Columban dazu veranlasste, 615 Eustasius von Luxeuil nach Baiern zu schicken.
Die Kirchen des 7. Jh. könnten dieser ersten Mission entstammen. Die spätere
Tradition feierte fast ausschließlich die erst rund hundert Jahre darauf nach Baiern
175 Leingartner/Neubauer, Neue Überlegungen zur Kirche „Maria am Anger“ in Lauriacum 29. Laut
der Vita des Severin zog sich ja die romanische Bevölkerung 488 aus der Provinz Ufernoricum nach
Italien zurück. Eugippius, Vita s. Severini c. 44. Severin sprach, wie in dieser Zeit üblich, wohl nur
von den reichen Personen und ihrem Anhang, denn die Archäologie zeigt eine kontinuierliche
Besiedlung Ufernoricums, wenn auch ab dem 6. Jh. im geringeren Reichtum und Dichte. Tovornik,
Tausend Jahre 52 ff.; Friesinger, Der römische Limes 184 ff.
176 Hausner, Altdeutsches Namensbuch 546. Zur Bedeutung des Raumes in slawisch-awarischer Zeit,
siehe Abbildung 14, S. 201.
177 Siehe dazu das übernächste Kapitel „Das Christentum in den Ostalpen – gekappte Wurzeln ?“ ab
S. 207.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361