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5 : Menschen in den Alpen
Christentum
In den vorangehenden Kapiteln über den Menschen in den Alpen wurden die
Schwierigkeiten deutlich, mit denen die frühmittelalterliche Geschichtsforschung
in diesem Raum zu tun hat : Es gibt nur wenige archäologische Quellen, und
schriftliche Zeugnisse wurden nur in den seltensten Fällen von den Gebirgsbe-
wohnern und -bewohnerinnen selbst verfasst.
Eine Ausnahme bildet das Christentum : Es produzierte nicht nur den Hauptteil
der archäologischen Überreste, sondern brachte auch die meisten der schriftlichen
Werke hervor, die uns heute über die Alpen berichten können. Zahlreich sind die
Kirchenfundamente, die ab etwa dem 5. Jh. datieren, teils unter heutigen Kirchen
liegen und in den einzelnen Bauphasen viel über die Geschichte des Christentums
und darüber hinaus erzählen können. Besonders gut dokumentiert sind beispiels-
weise die Anlagen in Genf oder auf dem Hemmaberg. Einige Kirchen sehen heute
noch fast so aus wie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung, etwa das Baptisterium von
Riva San Vitale (um 500) oder die Kirche in Mals aus karolingischer Zeit. Gleich-
zeitig mit der zunehmenden Anzahl an Kirchen wurden ab dem 6. Jh. die profanen
Gebäude aus Holz errichtet,1 dessen Vergänglichkeit bewirkte, dass uns heute die
Architektur der Zeit wenig bekannt ist. Kirchen und Gräber bilden daher oft die
einzigen materiellen Quellen unseres heutigen Wissens aus jener Zeit.2
Auch die schriftlichen Überlieferungen stammen vor allem aus christlichen
Institutionen, also Heiligenviten, Annalen und Ähnlichem. Diese Texte sind oft
die einzigen Quellen, beleuchten aber nur einen kleinen Teil des mittelalterlichen
Lebens. Bei der Interpretation der Texte sollten auch die Fertigkeiten der frühmit-
telalterlichen Schreiber nicht unterschätzt werden, die ihre Schriften vielschichtig
und bewusst gestalteten. Nicht nur in den Viten, sondern auch in Chroniken und
Urkunden wurden aus religiösen, kulturellen oder politischen Gründen bestimmte
Vorgänge betont, andere vorsätzlich ausgelassen und manche einfach erdichtet.
1 Bonnet, Les églises en bois 217 ff.; Faure-Boucharlat, Les constructions rurales 77 ff.; Terrier, Les
églises dans la campagne genevoise 197 f.; Codreanu-Windauer, Ober- und Niederbayern 460 ff.
2 Meier, Siedlungs-, Sakral und Bestattungstopographie 281.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361