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130 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
verzeichnet beispielsweise nur bis östlich des Brenners einen durchgehenden Ge-
birgsbogen. Dies könnte an der Reliefstruktur der Alpen liegen, denn die Über-
gänge der West- und Zentralalpen bündeln sich aufgrund der Höhe des Gebirges
an wenigen Punkten, und es muss nur jeweils eine Passhöhe überschritten werden.
Die viel breiteren und niedrigeren Ostalpen bieten hingegen eine Fülle an mögli-
chen Übergängen.
Westalpen
Für eine Übersicht der Pässe siehe Abbildung A auf S. 353 am Ende dieses Buches.
Der südlichste der bedeutenden Alpenübergänge (neben dem Küstenweg) führte
von der Poebene in das Susatal. In der Antike ging dieser Weg bis zum Ende des
Tales bei Oulx und weiter über den Montgenèvre, der unter dem Namen Mons
Matronae bekannt war. Man nahm an, dass Hannibal über diesen Pass nach Ita-
lien gekommen war.72 Auf der anderen Seite, klimatisch äußerst begünstig auf etwa
1.200 m Höhe, liegt Briançon, das antike Brigantio. Ab hier konnte man sich nach
Süden, Richtung Embrum/Eburodunum, Gap/Vappincum und die Provence wen-
den, oder nach Norden über den Col du Lautaret nach Grenoble und weiter nach
Vienne, Lyon und Nordgallien ziehen. Die Straße war ausgezeichnet ausgebaut
und bewirkte dadurch eine starke Bündelung des Verkehrs.73 Im frühen Mittelalter
änderte sich dies. Zunehmend wurden der Mont Cenis und dessen direkt daneben-
liegenden Übergänge wichtiger. Dieser Weg biegt schon bald nach Susa Richtung
Norden in die Maurienne ab. In römischer Zeit war die Maurienne höchstens von
lokaler Bedeutung, denn es gibt hier kaum römische Reste.74 Der wachsende Ein-
fluss von Lyon unter den Burgundern75, aber auch die zunehmenden Pilgerströme
aus dem angelsächsischen Raum (siehe oben) bedingten, dass der Mont Cenis bald
die Hauptverbindung durch die südlichen Westalpen wurde.76 Dies gilt auch für
den Handel : Im hohen Mittelalter ging fast der gesamte Warenverkehr zwischen
Oberitalien und dem Rhônetal über den Mont Cenis und durch die Maurienne.77
Die Errichtung des Bistums Maurienne Ende des 6. Jh. war schließlich die Folge
dieser neuen Bedeutung.
72 Ammianus Marcellinus XV 10 ; Caesar, De Bello Gallico I.10 nutzte wohl den Montgenèvre.
73 Walser, Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit 27 ; Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 166.
(G. Barruol, J. Dupraz).
74 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 163. (G. Barruol, J. Dupraz).
75 Lyon war ab dem zweiten Drittel des 5. Jh. Hauptresidenz der Burgunder. Kaiser, Churrätien 49.
76 Sociétés savantes de Savoie, Echanges et voyages 62.
77 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 340 (H. Falque-Vert) ; LexMa „Maurienne“ (V. Chomel).
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361