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Wirtschaft 271
In der Landwirtschaft setzte erst ab etwa dem 13. Jh. an vielen Orten eine „ex-
portorientierte Großvieh- und Milchwirtschaft“ 559 ein. Eine Spezialisierung in den
Bauerngütern selbst kam mit den Schwaighöfen auf, die auf reine Viehwirtschaft
ausgelegt waren. Diese Höfe liegen meist in Höhen um 1.500 m, wurden von der
Grundherrschaft mit Schafen oder Rindern bestückt und mussten in Naturalien,
besonders Käse, zinsen.560 Im Raum Salzburg setzt diese Art der Bewirtschaftung
mit der ersten Hälfte des 11. Jh. schon verhältnismäßig früh ein.561
Alm- und Viehwirtschaft
Für das Gebirge typisch ist die saisonale Bewirtschaftung der verschiedenen Hö-
henstockwerke.562 In den Ostalpen läuft die traditionelle Viehwirtschaft in drei
Phasen ab : Im Winter befindet sich das Vieh im Tal und wird im Mai auf den
sogenannten „Maiensäss“, das sind Almen auf 1.000 bis 1.500 m Höhe, getrieben.
Dort bleibt es etwa einen Monat, um dann im Juni auf die Hochalmen oberhalb der
Waldgrenze geführt zu werden. Anfang/Mitte September geht es wieder auf den
Maiensäss und Anfang November zurück ins Tal.563 In den Süd- und Westalpen
kann sich aus naturräumlichen Gründen die Anzahl der saisonal angesteuerten
Plätze bis auf mehr als ein Dutzend vervielfachen. Die mittlere Stufe wird hier ent-
weder mit dem vom Deutschen abgeleiteten „mayens“ bezeichnet oder „estivage“,
das bedeutet Sömmerung, benannt.564 Die vertikale Nutzung des Gebirges war
aus mehreren Gründen ideal. Solange das Vieh im Sommer auf den Hochweiden
fraß, konnte das Grünland im Tal für Ackerbau und Gewinnung des Winterfutters
genutzt werden. Gleichzeitig sind die höher gelegenen Rasen viel nahrhafter und
produzieren dadurch wertvollere Molkereiprodukte.
Die oberste Stufe, die Alm, gab der „Alpenwirtschaft“ ihren Namen. Die Almen
selbst wurden sicher schon in römischer und vorrömischer Zeit genutzt, da die
großen Rasenflächen oberhalb der Baumgrenze nicht erst mühsam von Vegetation
befreit werden mussten. Die ersten beweideten Flächen waren daher die natür-
lich vegetationsfreien.565 Schon ab dem Neolithikum finden sich die ersten Spuren
vom Hirtenwesen im Hochgebirge. Geräte zur Milchverarbeitung sind seit der
559 Meyer, Rodung, Ackerbau und Viehwirtschaft 128.
560 Krawarik, Siedlungsgeschichte 223 ; Meyer, Besiedlung und wirtschaftliche Nutzung 239.
561 Mitterauer, Wirtschaft und Handel 422 f.
562 Siehe dazu Abbildung F auf S. 358.
563 Bätzing, Alpen 60 ; Birkenhauer, Alpen 106 ; Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 102.
564 Duclos, La transhumance 182.
565 Meyer, Besiedlung und wirtschaftliche Nutzung 241.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361