Page - 100 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Image of the Page - 100 -
Text of the Page - 100 -
100 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
Auch archäologisch gibt es Hinweise, dass die neuen Herrscher des Ostalpen-
raumes die Übergänge und Grenzen bewachten und kontrollierten. Von Bad Aus-
see ging ein Weg über den wichtigen slawischen Fundplatz Krungl in das Ennstal,
wo bei Hohenberg nahe Stainach ebenfalls ein Gräberfeld ausgegraben wurde.214
Von hier führte die Route entweder über die Rottenmanner Tauern an der in der
Conversio erwähnten Kirche ad Undrimas vorbei, oder über das Paltental nach Le-
oben.215 Der Raum Liezen war aufgrund des Weges Richtung Norden über den
Pyhrnpass bedeutend. Auch hier zeigen die Gräberfelder und Funde von Michel-
dorf, dass auch den slawischen Eliten in den Alpen die Wichtigkeit dieser Route
bewusst war. Problematisch ist, dass alle Gräber frühestens Anfang des 8. Jh. da-
tiert werden können und damit auch schon der Zeit entspringen könnten, als der
Ostalpenraum bairisch organisiert wurde. Davor sind kaum aussagekräftige Funde
bekannt. 216 Dass nördlich des Murtales weder „Ban“-Orte noch „Kroaten“-Orte
auftreten, ist auch auffällig. Folgt man einer Interpretation als Grenzorte, würde
das implizieren, dass das Ennstal nicht zum Karantanischen Reich gehörte und
vielleicht auch nie awarisch organisiert war.217
Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den
Römern bis Heinrich IV.
Nach einhelliger Meinung der römischen Schriftsteller machten schroffe Felsen,
Schnee, Eis, frostiger Wind und bösartige Einwohner die Alpen aus.218 Dabei war
den Römern das Hochgebirge an sich schon seit frühester Zeit bekannt, denn
der Gran Sasso Italia, mit seinen 2.912 m die höchste Erhebung der Apenninen,
befindet sich gerade mal 150 km von Rom entfernt. Doch die Alpen mit ihren
vergletscherten Gipfeln blieben den Römern fremd. Anhand ihrer Eroberungen
wird dies gut sichtbar : Über 100 Jahre lang ragten die Westalpen wie ein Keil in
die schon längst römischen Gebiete der Poebene und des Rhônetals hinein. Noch
214 Nowotny, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Hohenberg 21 f.
215 Die Kirche wird im Aichfeld lokalisiert. Wolfram, Grenzen und Räume 123.
216 Szameit, Zum archäologischen Bild der frühen Slawen 536 f.; Kahl, Der Staat der Karantanen 376 ;
Nowotny, Das frühmittelalterliche Gräberfeld 21 u. 36 ; Gleirscher, Karantanien 116 ; Daim, Byzan-
tine Belts 158. Siehe dazu ausführlich im Kapitel „Der Ostalpenraum“ ab S. 319.
217 Dazu Kahl, Der Staat der Karantanen 174. Üblicherweise werden diese Orte als Fürstensitze gedeu-
tet, ebenso wie die Ortsnamen, die sich von dem slawischen Wort knez für Fürst ableiten lassen :
Gleirscher, Karantanien 73.
218 Acolat, Montagne 29 ; Polybios III 54 : Hannibal im Eissturm.
back to the
book Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361