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Die Alpen als Grenze 81
standen durchaus noch an der Tagesordnung.109 Dass die Grenzmarken innerhalb
des Gebirges im Einzelnen kaum zu rekonstruieren sind, liegt sicherlich an ihrer
Schnelllebigkeit, aber auch an der anderen Art, mit der die frühmittelalterlichen
Menschen Grenzregionen organisierten.110
Karolinger und Ausblick
Die Karolinger nahmen ab Pippin die Alpen- bzw. Italienpolitik der Merowinger
wieder verstärkt auf und schafften es bis Ende des 8. Jh., den gesamten Alpenraum
unter ihre Kontrolle zu bringen.111 In Churrätien hatte sich bis Anfang des 8. Jh.
eine eigenständige Bischofsherrschaft mit Zentrum Chur entwickelt. Diese Art von
„Bistumsrepublik“ war in Gallien für Orte mit starken spätrömischen Traditionen
typisch. Die Karolinger versuchten nach und nach in diesen Orten wieder die
ganze Kontrolle zu erlangen, spätestens 806/7 betraf dies auch Churrätien.112 Im
Jahr 774 eroberte Karl der Große das Reich der Langobarden. Als letzte alpine
Region konnte er 788 den bairischen Herzog Tassilo unter fadenscheinigen Vor-
wänden entmachten. Damit war der Alpenraum zum letzten Mal in einer einzigen
Hand.
Der Prozess der Nordwestorientierung der Zentral- und Ostalpen bedingte,
dass sich auch die einstige Wahrnehmung änderte. Im 5. und beginnenden 6. Jh.
gehörte dieses Alpenstück ja noch administrativ zu Italien, doch die zunehmende
Bedeutung als Grenzraum sowie die fränkischen Eroberungen bewirkten eine
langsame Ablösung dieser Provinzen und eine Umorientierung Richtung Norden.
Einen Bruch bedeuteten die Herrschaft der Slawen und Awaren und die Ausdeh-
nung des bairischen Einflussraumes Richtung Süden und Südosten im Laufe des
7. und 8. Jh. Trotzdem wirkte die Wahrnehmung der spätantiken Grenzen noch
lange nach : Paulus Diaconus zählt beide Rätien noch Ende des 9. Jh. zu Italien,
obwohl diese Gebiete zum größten Teil schon seit über 200 Jahren fränkisch wa-
ren.113 Einige Kapitel später führt er aus, dass die Provinz Noricum, die vom Volk
109 720 überfällt der Herzog von Friaul die Carniola (Paulus Diaconus Hist. Lang. VI 52), Langobarden
erobern Festungen der Baiern Anfang des 8. Jh. (Paulus Diaconus Hist. Lang. VI 58).
110 Siehe das Kapitel „Grenzen in den Alpen“ ab S. 83.
111 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 31.
112 Kaiser, Churrätien 45 und 53.
113 Paulus Diaconus Hist. Lang. II 15 „Inter hanc (i. e. die italische Provinz Ligurien, Anm d. Verf.) et
Suaviam, hoc est Alamannorum patriam, quae versus septentrionem est posita, duae provinciae, id
est Retia prima et Retia secunda, inter Alpes consistunt ; in quibus proprie Reti habitare noscuntur“
und 16 „Quinta vero provincia Alpes Cottiae dicuntur, quae sic a Cottio rege, qui Neronis tempore
fuit, appellatae sunt. Haec a Liguriae in eorum versus usque ad mare Tyrrenum extenditur, ab oc-
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361