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182 Menschen in den Alpen
bringen aber die archäologischen Funde der nächsten Jahre noch Überraschendes
zutage.
Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum
Das antike Heidentum starb nicht so schnell aus, wie es die offizielle Hinwendung
des römischen Reiches zum Christentum ab Konstantin vermuten lässt : Noch um
380 gab es einen funktionierenden heidnischen Kult in Tempeln und eine Priester-
schaft. Dieses Heidentum ist kaum mehr in den Quellen aufzuspüren.50 Die Ver-
hältnisse änderten sich 392, als Kaiser Theodosius die Ausübung dieser Kulte unter
Strafe stellte.51 Trotzdem gab es noch bis Anfang/Mitte des 5. Jh. ein durchaus
mächtiges Heidentum, vor allem in Rom. 407 erfolgte schließlich das Gesetz, die
heidnischen Tempel zu zerstören oder in Kirchen umzuwandeln.52 Im Alpenraum
finden sich oft nahe bei oder sogar unter Kirchen heidnische Kultorte. Beispiele
sind Genf, Thun-Allmendingen oder der Hemmaberg.53 Diese Kirchen sind aller-
dings weniger Ausdruck der Kontinuität, sondern mehr Zeugen des bewussten
Bruches mit dem Heidentum. Die christliche Kirche besetzte den alten, heiligen
Platz um ihre Herrschaft über den alten Glauben zu demonstrieren. Gelegentlich
kann man sogar die systematische Zerstörung eines heidnischen Tempels rekon-
struieren. In Thun-Allmendingen wurden einige Statuen des Tempels an die Al-
pengötter zerschlagen und sorgsam in einer eigens ausgehobenen Grube versenkt.
Die älteste Kirche dieser Region steht nur fünf Kilometer von dem Heiligtum ent-
fernt und dürfte aus dem 5. Jh. stammen.54
Die Beziehung zwischen Heiden und Christen gestaltete sich in den Alpen un-
terschiedlich. Der Grabstein der bekennenden Christin Ursa aus Ovilava/Wels
wurde von ihrem heidnischen Ehemann gesetzt und zeugt damit von einem har-
monischen Zusammenleben.55 Die pagane Bevölkerung, die um das Jahr 400 die
entsandten Missionare des Bischofs Vigilius von Trient getötet hatte, war dage-
gen dem Christentum gegenüber eher feindselig eingestellt.56 Die Heiden, die der
50 Bratož, Christianisierung 315.
51 Angenendt, Monotheismus und Gewaltmission 57.
52 Bratož, Christianisierung 339 ff.
53 Wobei früher oft der Fehler gemacht worden ist, das regelhaft zu erwarten. So wurde am Ulrichsberg
in Kärnten von den Ausgräbern der 30er-Jahre eine spätantike Zisterne als heidnisches Kultobjekt
gedeutet. Glaser, Frühchristliche Denkmäler 59 f., 36 ; Martin-Kilcher, Das römische Heiligtum von
Thun Allmendingen 37.
54 Martin-Kilcher, Das römische Heiligtum von Thun-Allmendingen 37 f.
55 Wolfram, Grenzen und Räume 44, CIL 03, 13529.
56 Berg, Bischöfe 76 ; Bratož, Christianisierung 359.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361