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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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72 Das habsburgische Babylon tem Habsburgermonarchie in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht kenn­ zeichnen. Dem Phänomen der Mehrsprachigkeit ist demnach ein Konfliktpon­ tenzial eingeschrieben, das sich zum einen aus der Sicht von Sprachgebrauch im Kontext sozialer Distinktion ergibt (vgl. dazu Bourdieu 1982 : 719ff.) und zum anderen, damit eng verknüpft, aus den historisch und soziopolitisch bedingten Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten der kulturell­ ethnischen Zusammen­ setzung der Monarchie.46 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass gegen die – in Ar­ tikel 19 verankerte – »Mehr­ und Vielsprecherei« ein Feldzug mit der Begrün­ dung geführt wurde, dass sie eine Bedrohung der nationalen Identität darstelle. Führende Pädagogen etwa stützten sich dabei in ihrer Argumentation auf Rous­ seaus Émile, dem zufolge das parallele Erlernen mehrerer Sprachen im Kin­ desalter zu verwerfen sei, da es das Gedächtnis des Kindes übermäßig belaste und überdies zur Beeinträchtigung des Gemütslebens beitrage. Die Encyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens (1881, zit. nach Burger 1997 : 38) zeigt die unmissverständliche Position der Pädagogik im ausgehenden 19. Jahrhundert : »[D]ie fremde Sprache bleibt dem Kinde eine Fremde und soll es sein«, und Turnvater Jahn meint gar, Mehrsprachigkeit sei »Notzucht des Gedächtnisses und Entmannen des Sprachvermögens« (Jahn 1884, zit. nach Burger 1997 : 38). Trotz dieser und vieler anderer kritischer oder mahnender Stimmen kann das Prinzip der Gleichberechtigung der Sprachen zu den unan­ fechtbaren Lebensgrundlagen der Monarchie gezählt werden und schien sogar so sehr dem allgemeinen Rechtsempfinden zu entsprechen, dass es sich gegen die unmittelbaren Interessen der dominierenden Nationalitäten immer wieder durchsetzte (Burger 1997 : 40).47 Das Konzept der Mehrsprachigkeit scheint demnach im historischen Kontext der Habsburgermonarchie durchaus positiv besetzt, muss aber im Wechselspiel der mannigfachen (gesellschaftspolitisch motivierten) Interessen und deren jeweiliger Instrumentalisierung durch vor­ wiegend national motivierte Kräfte gesehen werden. 46 Das Problem der Plurilingualität wurde freilich auch durch die konfessionelle Pluralität der Mo­ narchie potenziert. Vgl. dazu im Detail Wandruszka/Urbanitsch (1985). 47 Auch Brix (1982 : 61) stellt eine eher »minderheitenfreundliche« Politik vor allem durch Entschei­ dungen des Verfassungsgerichtshofs fest.
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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