Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Page - 75 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 75 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Image of the Page - 75 -

Image of the Page - 75 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Text of the Page - 75 -

Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 75 nicht näher darauf ein. Kann (1964a : 190) stützt sich auf die diesbezüglichen Auslegungen des erwähnten Artikels 19 von 1867, wonach als »Landessprache« die von mindestens 20 % der Bevölkerung eines Kronlandes, also von anerkann­ ten Nationalitäten, verwendete Sprache bezeichnet wird, während unter »lan­ desübliche Sprache« die Sprache im Verkehr mit den Behörden, im Unterricht und in kulturellen Angelegenheiten verstanden wird. Kolonovits (1999 : 96f.) hingegen betont, dass in der Rechtssprechung des Reichsgerichts eine Sprache als »landesüblich« galt, wenn sie »im Lande überhaupt, also auch nur in ein­ zelnen Orten oder Bezirken desselben üblich« ist. In diesem Sinn bedeutet der Begriff »landesüblich« so viel wie »gerichts­ , bezirks­ oder gemeindeüblich«. In dieser Sprache muss laut Kolonovits zwischen dem Territorialitätsprinzip und dem Personalitätsprinzip unterschieden werden. Nach Ersterem gilt es, den ört­ lichen Anwendungsbereich einer Sprache festzulegen, und nur in jenem Gebiet, in dem die Sprache »landesüblich« ist, ist eine Gleichberechtigung in »Amt und öffentlichem Leben« nach der Rechtssprechung geboten. Das Personalitätsprin­ zip wiederum tendiert dazu, das Recht auf die Verwendung der Sprache im Amt an die »Volksstammzugehörigkeit« zu binden. Angesichts dieser komple­ xen Rechtsinterpretation scheint die Fülle an vor Gericht ausgetragenen Strei­ tigkeiten nicht verwunderlich.51 Zahlreiche Verordnungen und Gesetze zur Durchführung des Artikels waren zumeist aus Anlass heftiger nationaler Streitigkeiten entstanden. Auch die vom deutschliberalen Justizminister Karl von Stremayr unter der Regierung Taaffe erlassenen Sprachenverordnungen vom 19. April 1880 können im Rahmen ei­ ner nationalen »Versöhnungspolitik« als Reaktion auf den Einzug der Tschechen in den Reichsrat (1879) und ihre Forderungen nach verstärkter sprachlicher Gleichberechtigung interpretiert werden (Rumpler 2000 : 775). Die Verordnun­ gen regelten den Gebrauch der äußeren Amtssprache der politischen Behörden und der Gerichtsbehörden in Böhmen und Mähren und normierten die Ver­ wendung beider Landessprachen im Verkehr der Gerichte, was im deutschböh­ mischen Lager heftige Proteste hervorrief. Als unmittelbare Reaktion forder­ ten die Deutschliberalen wie erwähnt die gesetzliche Festlegung der deutschen Sprache als Staatssprache. Die Behörden in Böhmen und Mähren wurden un­ terdessen angewiesen, Amtshandlungen in jener Sprache abzuwickeln, in der die Eingabe vorgebracht wurde. Dies betraf nicht nur die Beantwortung von Eingaben, sondern auch amtliche Bekanntmachungen und Eintragungen in öf­ fentliche Bücher wie Grundbuch, Handels­ und Firmenregister. Damit wurde 51 Vgl. zur vorliegenden Diskussion auch Fischel (1910 : LXXVII) sowie Hugelmann (1934 : 94f.).
back to the  book Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918"
Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die vielsprachige Seele Kakaniens