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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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»Polykulturelle Kommunikation« 115 BeamtInnen Sprachprüfungen für alle Ressorts eingeführt. Spätestens gegen Ende des Jahrhunderts wurde auch die BeamtInnenschaft vom Nationalitäten­ streit massiv erfasst,109 und die sprachliche Qualifikation der BeamtInnen wurde zum Instrument und damit zum Machtmittel der stärkeren oder schwächeren Beteiligung einzelner Nationalitäten an der Bürokratie des Reiches. Gezielte Versetzungen vermochten dem Problem nicht immer Einhalt zu gebieten. Eine der Maßnahmen, um diesem Phänomen gegenzusteuern, waren verschiedene Artikel in der Beamtenzeitung zwischen 1890 und 1900, die zur »Wiederbele­ bung« eines übernationalen, österreichisch gesinnten BeamtInnentums beitra­ gen sollten (Megner 1985 : 277). Trotzdem waren die gesetzesmäßigen und zum Großteil nicht mehr im Einzelnen rekonstruierbaren persönlichen Bemühun­ gen um eine Bewältigung der immensen Anforderungen an eine professionelle Mehrsprachigkeit nicht ohne Früchte geblieben, wie etwa die Erfolge der nicht­ deutschen Sprachen im sogenannten »äußeren Geschäftsbereich«, also im direk­ ten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern, beweisen. Ein kurzes Beispiel aus Dalmatien soll den Werdegang bzw. den Alltag eines mehrsprachigen Beamten illustrieren. Die im Staatsarchiv von Dubrovnik er­ haltene Autobiografie des pensionierten Richters Antonio Martecchini (1906) zeugt von der komplexen sprachlichen Situation (auch) im südlichsten Teil der Monarchie. Antonio (1832–1913) war Sohn des Verlegers und Druckers Pier Francesco Martecchini,110 dessen Eltern am Ende des 18. Jahrhunderts aus Ve­ nedig zugewandert waren, und Maria Stulli. Die gesamte Familie (Martecchini und Stulli) war italienischer Abstammung, und doch erzählt Antonio, als Vier­ jähriger seinen aus Venedig eingewanderten Großvater auf Serbokroatisch um ein Stück Fisch gebeten zu haben : »Nonno, da mi ribice« (Martecchini 1906 : 2). Ein weiteres Zeugnis dafür, dass in der Familie offensichtlich eher Serbokroa­ 109 Aus dieser Zeit liegen jedoch ebenso Berichte vor, die die gesetzlich angestrebte Gleichberech­ tigungspolitik auch in der Vergabe von Beamtenposten belegen. So traten im Jahr 1910 13 junge Beamte aus verschiedenen Kronländern ihren Dienst im Finanzministerium an, wobei vor allem die ethnische Herkunft der Beamten in Verbindung mit dem jeweiligen Kronland berücksichtigt wurde : Vertreten waren dabei Deutsche aus Böhmen und Mähren, Polen aus Galizien, Italiener aus Tirol und Dalmatien, usw. (vgl. Kleinwaechter 1948, zit. nach Schimetschek 1984 : 210f.). Jedoch räumt auch Schimetschek (1984 : 212) ein, dass mit »der zunehmenden Verschärfung des Spra­ chenstreits […] die Kraft der Assimilation an die österreichische Staatsgesinnung immer geringer [wurde]«. Zum Verhältnis der verschiedenen Nationen in der Zusammensetzung der Beamten im Ministerium des Äußern bzw. zur dementsprechenden Ämterbesetzung vgl. Sieder (1969 : 61ff.). 110 Wie aus verschiedenen Bibliothekskatalogen hervorgeht, verlegte Pier Francesco Martecchini Bücher sowohl in italienischer als auch in serbokroatischer Sprache.
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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