Page - 139 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Image of the Page - 139 -
Text of the Page - 139 -
»Polykulturelle Translation« 139
in der Lindengasse 9, ab 1887 in der Brandstätte 3, beides »bei Carl Virgilius
Rupnik«. Rupnik scheint unter der Namensliste unter den Dolmetschern für
Französisch und Italienisch auf ; offensichtlich war er in der Organisation die
ser Kanzlei federführend. Vor ihm zeichnete für die Jahre 1874–1883 Georg
Jenko, Ministerialsekretär im Justizministerium, als »Gründer und Inhaber« für
die Gerichts Dolmetschkanzlei verantwortlich. Jenko ist in die Liste beeideter
Dolmetscher von 1868 bis 1883 für Bulgarisch, Italienisch, Kroatisch, Serbisch
und Slowenisch eingetragen. Der Name der Kanzlei wird ab 1888 im Nieder-
österreichischen Amtskalender und in Lehmanns Allgemeinem Wohnungsanzeiger
nicht mehr geführt ; es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass sie ab
diesem Jahr zumindest in dieser Form nicht mehr existierte.
Ab 1881 führt Lehmann, ab 1888 der Niederösterreichische Amtskalender
anschließend an die beeideten Dolmetscher eine Liste von »Uebersetzungs
Bureaux« an, die 1889 mit der Fußnote »[z]ur Anfertigung authentischer, bei
Gericht Geltung habender Uebersetzungen sind diese Bureaux nicht befugt«
versehen ist (Niederösterreichischer Amtskalender 1889 : 399) – offenbar war es
bereits zu missverständlichen Anfragen gekommen. Ab 1893 wurde im Nieder-
österreichischen Amtskalender eine Trennung der beiden Dolmetsch bzw. Über
setzungsbereiche vorgenommen und die Übersetzungsbüros unter »Geschäfts
notizen« an gänzlich anderer Stelle aufgeführt. In Lehmann setzt eine solche
Trennung zögerlich ab dem Jahr 1910 ein.
Stichproben ergeben, dass andere Amtskalender der Monarchie keine ähn
lichen Listen beeideter Dolmetscher oder Übersetzungsbüros anführen. Ver
schiedene Adressbücher geben jedoch – zunächst – unter der Rubrik »Privat
lehrer (für Wissenschaft und Kunst)« Sprachlehrer an, die neben ihren Namen
und ihrer Adresse zumeist ihren Titel und ihren Beruf aufweisen ; darunter
sind Angaben wie »beeideter Dolmetsch beim Landesgericht« oder »beeideter
Dolmetsch für Steiermark« zu finden (vgl. Adreßbuch der Landeshauptstadt Graz
1862 : 168f.). Ab dem Jahr 1887 jedoch führt auch das Adressbuch von Graz die
Rubrik »Gerichtliche Dolmetsche« ; die Liste inkludiert in diesem Jahr 15 Dol
metscher für insgesamt zwölf Sprachen, 1906 24 Dolmetscher für 13 Sprachen.
Ab 1891 wird auch ein Dolmetscher für »Geberdensprache der Taubstummen«
inkludiert. Auffallend ist, dass im Unterschied zu Wien die Mehrzahl der Dol
metscher nicht Rechtsanwälte sind, sondern Gymnasiallehrer, Studenten der
Rechtswissenschaft, Bibliothekare und andere Beamte ; die Dolmetschung der
»Geberdensprache der Taubstummen« wurde von »Taubstumenlehrern« besorgt
(Grazer Geschäfts- und Adreß-Kalender 1887 : 130, Adressenbuch der Landeshaupt-
stadt Graz 1906 : 187).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437