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»Polykulturelle Translation« 143
(Slapnicka 1973 : 64). Bereits der bedeutende österreichische Jurist Joseph von
Sonnenfels (1732 ?–1817) hatte das Problem der Vereinheitlichung von Ge
setzestexten erkannt und versuchte in seinem Lehrbuch Über den Geschäftsstil
(1784) eine dementsprechende Terminologie zu präsentieren, die er in seinem
zuvor erstellten Werk Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (1767–68)
durch die Übersetzung von Begriffen vor allem aus der französischen Fachlite
ratur erarbeitet hatte (vgl. Bodi 1996). Die Übersetzung umfassender Gesetzes
werke, die in Auftrag gegeben wurden, um den Verbreitungsgrad der Gesetze zu
erhöhen, konnte oft nicht von Einzelpersonen bewältigt werden, was zur Bil
dung von Übersetzerteams mit Haupt und Unterübersetzern sowie Kopisten
führte. Auf solche Weise wurde etwa der 1766 fertig gestellte Codex Theresianus
ins Tschechische und Italienische übersetzt, ein gewaltiges Unternehmen in An
betracht der Vielzahl von Personen, die in dieses Projekt involviert waren (vgl.
im Detail Petioky 1998 : 359f.).
Ähnliches ist über die Übersetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbu-
ches133 zu berichten, das per Kundmachungspatent vom 1. Juni 1811 den deut
schen Text als Urtext erklärte, gleichzeitig aber die Übersetzung in mehrere
Landessprachen ankündigte. In der Folge wurden amtliche Übersetzungen in
lateinischer, italienischer, tschechischer, polnischer und rumänischer Sprache
angefertigt. In den darauf folgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche Überset
zungen des ABGB, unter anderem ins Serbische, Slowenische, Kroatische, Un
garische und Hebräische und auch Neuübersetzungen (wie etwa ins Polnische)
angefertigt (vgl. Slapnicka 1973 : 69 sowie Petioky 1998 : 361f.), die allesamt die
Entwicklung der Rechtsterminologie in den Sprachen der Monarchie doku
mentieren bzw. zu dieser in entscheidendem Maße auch beigetragen haben. Die
Frage der Rechtsterminologie ist in Anbetracht der enormen Anforderungen,
die die Übertragung großer Gesetzeswerke auch in Anbetracht der Fülle an
Gesetzestexten im Allgemeinen stellte, demnach als eine Schlüsselfrage für das
Funktionieren des Rechtsstaates zu betrachten.
Die Terminologiekommission
Der Dringlichkeit der Forderung nach einer Rechtsterminologie waren sich die
Machthaber offensichtlich bewusst bzw. das Problem war spätestens durch das
133 Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch war mit dem Ziel einer Rechtsvereinheitlichung erstellt
worden und wurde als »Magna Charta einer neuen Gesellschaft« bezeichnet (Rumpler 1997 :
108).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437