Page - 146 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Image of the Page - 146 -
Text of the Page - 146 -
146 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
nisch), Julius Wysłobocki (Ruthenisch), Matej Cigale (Slowenisch),140 Božidar
Petranović und Stepan Car (Kroatisch bzw. Serbisch Illyrisch). Als Kommis
sions
Vorsitzender wurde der renommierte Professor für slawische Philologie
Pavel Josef Šafařík141 bestellt (Slapnicka 1974 : 444f.).
Die Kommission wurde in fünf Sektionen geteilt : eine böhmische (= tsche
chische), eine polnische, eine russinische (= ruthenische), eine slowenische und
eine illyrisch serbische. Eine aus den Kommissionsmitgliedern vorübergehend
eingesetzte Vorbereitungsgruppe sichtete in einem ersten Schritt das für die
Kommissionsarbeit relevante Material und ließ es an die einzelnen Sektionen
verteilen. Von der Idee einer »Collectiv Ausgabe« der »Juridisch politische[n]
Terminologie für die slawischen Sprachen Oesterreichs« war man aufgrund
methodischer Schwierigkeiten, auf die in der Folge eingegangen wird, bald ab
gekommen. Der erste Band, die Deutsch-böhmische Separat-Ausgabe erschien be
reits 1850, was von einer besonders intensiven Arbeit in der zuständigen Sektion
zeugte, enthält das Wörterbuch doch auf 263 Seiten über 7.150 Stichwörter
(Petioky 1995 : 57) – ein umfangreiches Ergebnis so kurzer Recherchierarbeit.
Ein Jahr später erschien die ruthenische und 1853 die Deutsch-kroatische, serbi-
sche und slovenische Separat-Ausgabe ; die deutsch polnische Ausgabe ist – wohl
aufgrund des relativ weit entwickelten Stands der polnischen Rechtsterminolo
gie – nie erschienen.
Die Kommission arbeitete in dem Auftrag, »eine dem Geiste dieser Sprachen
zusagende, dem Bedürfnisse der jetzigen Gesetzgebung und Verwaltung genü
gende, theils aus älteren Rechtsquellen geschöpfte, theils aus dem natürlichen
Reichthume der verschiedenen Mundarten gebildete juridische Terminologie
festzustellen, welche zunächst bei der Redaction des Reichs Gesetzblattes, dann
auch für den Gebrauch in der allgemeinen Praxis zur Richtschnur zu dienen
geeignet wäre« (Šafařík 1850 : IV). Das erforderliche slawische Fachvokabular
sollte also teils durch Heranziehung älterer rechtshistorischer Quellen, teils
durch Neuprägungen gebildet werden (Petioky 1998 : 262). Ursprünglich war
geplant, eine für alle fünf Sprachen dem Wortstamm und der Wortform nach
gemeinsame Terminologie zu schaffen, doch wurde dieses Vorhaben gleich zu
Beginn als »frommer Wunsch« (Šafařík 1850 : IV) verworfen. Die einflussreichs
140 In den Archivakten scheint Cigale 1849 noch nicht als Mitglied des Redaktionsbureaus für
die slowenische Sprache auf. In den ersten Monaten des Bestehens des Redaktionsbureaus war
Franjo Miklošič als slowenischer Redakteur tätig (vgl. AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 10546/911,
Beilage I).
141 Pavel Josef Šafařík (1795–1861), Professor der slawischen Philologie an der Universität Prag.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437