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»Polykulturelle Translation« 159
anzufertigen hatten. Durch die Reform von 1860, die das Redaktionsbureau de
jure auflöste, kam es durch die Zuteilung der Übersetzungsarbeiten an »geeig
nete Beamte« außerhalb des Redaktionsbureaus zu Qualitätseinbußen in der
Auswahl der Translatoren, die nun von außen »zuarbeiten« mussten.
Bis 1869 waren im Redaktionsbureau absolvierte Juristen und Philologen
beschäftigt, ab diesem Zeitpunkt war durch die Schaffung einer eigenen Beam
tenklasse für die Redakteure des Reichsgesetzblattes nicht mehr die Notwen
digkeit gegeben, den Anforderungen eines Ministerialkonzipisten zu entspre
chen, was damit auch die implizit vorgegebene Voraussetzung eines absolvierten
Studiums der Rechtswissenschaften überflüssig machte. Die Reform von 1869
ermöglichte die Neueinstellung von vier Redakteursposten, und zwar für die ita
lienische, polnische, rumänische und ruthenische Sprache. Der bereits seit 1863
als remunerierter Übersetzer für Rumänisch tätige Doktorand Basil Grigoro
witza wurde in den definitiven Redakteursdienst übernommen, die drei übrigen
Stellen öffentlich ausgeschrieben. Der Vorstand des Redaktionsbureaus Franz
Wagner hatte die Leistungen von Grigorowitza zuvor selbst evaluiert, und seine
Arbeiten »gelten nach den von mir wiederholt und namentlich bei rumänischen
Abgeordneten eingeholten Erkundigungen für vorzüglich« (AVA, II.A.5, Kar
ton 14, Zl. 16796/869). Die Ausschreibung der übrigen drei Stellen versuchte
Wagner mit folgenden Argumenten zu erwirken :
Nach den bisherigen Erfahrungen halte ich nämlich die Berufung von Translatoren
ohne deren früher [eingereichte] Befähigung für das Übersetzungsgeschäft nicht
für nützlich und bin der Meinung, dass in der Regel die Translatoren aufgrund des
Erfolges und von den selben abgelegten schriftlichen und bewährten Sach und
Sprachkundigen beurteilten Concursarbeit angestellt werden sollten. (Ibid.)
Sonstige Qualifikationen wurden mit der Formulierung »zurückgelegte Studien
und bisherige Verwendung [sind] auszuweisen« nur angedeutet. Die »Con
cursarbeit« bestand in der Übersetzung mehrerer, die Hauptzweige der Gesetz
gebung (Justiz, politische Administration, Finanz und Unterricht) betreffender
schwierigerer Gesetze oder Gesetzesstellen von etwa drei Druckseiten aus dem
Deutschen in die jeweils andere Sprache und umgekehrt und konnte, je nach
Herkunft der Bewerber, in den Räumlichkeiten der Statthalterei von Triest,
Zara, Innsbruck, Lemberg, Czernowitz oder Troppau abgehalten werden.
Insgesamt gingen acht Bewerbungen für Italienisch, acht für Polnisch und
elf für Ruthenisch ein. Die Bewerber waren fast ausnahmslos bereits in Staats
diensten tätig, davon sechs als Lehrer ; ein Bewerber zeichnete als Theologe
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437