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170 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
unter den »Hilfs Aemtern«162 aufscheint. Im gleichen Jahr gab es eine ähnli
che Rochade : Alfred Schweiger von Dürnstein, 1876 noch als »Adjunct« unter
den »Hilfsämtern« des Ministeriums geführt, übernimmt im darauf folgenden
Jahr neben Haan einen Posten als »Hof und Ministerial Concipist I. Classe«
im »Departement für Chiffrewesen und translatorische Arbeiten«. Überhaupt
scheint es nach einem Abrücken von der Gepflogenheit, Posten innerhalb von
Familien weiterzugeben, Usus geworden zu sein, die Beamten der Chiffre Ab
teilung aus dem unmittelbaren Umfeld des Departements zu rekrutieren. Da
mit konnte nicht nur gewährleistet werden, dass es sich um Vertrauenspersonen
handelte, sondern dass diese viele der für die Beschäftigung im Departement
notwendigen Kompetenzen bereits anderswo erprobt hatten.163
Hinsichtlich der Ausbildung der im »Departement für Chiffrewesen und
translatorische Arbeiten« beschäftigten Beamten war für ihre Anstellung die
Absolvierung eines juridischen Studiums erforderlich, in Ausnahmefällen auch
ein philologisches (vgl. Hubatschke 1975a, 6 : 1391). Weitere Voraussetzun
gen waren hervorragende Sprachkenntnisse und ausgezeichnete Fertigkeiten
im Dechiffrieren. Ein »Mémoire betreffend den Nachwuchs für das Chiffre
Departement« aus dem Jahr 1894 macht die Problematik in der Rekrutierung
von dementsprechend qualifizierten jüngeren Beamten deutlich, da Kandida
ten benötigt werden, die »nebst den vier Cultursprachen [Deutsch, Französisch,
Italienisch und Englisch] einige weitere Idiome theils beherrschen, theils sich
soweit zu eigen gemacht haben, daß sie diesen nicht hilflos gegenüberstehen« ;
besonders erwünscht waren Kenntnisse in Ungarisch, in den slawischen sowie
skandinavischen Sprachen, Rumänisch und vor allem in den »orientalischen
Sprachen«, allen voran Türkisch (HHStA, Administrative Registratur, Fach 4,
Karton 404, ohne Zl., »Geheim«, 26.6.1894). Auch wurde der ständige Neu
erwerb von Sprachen vorausgesetzt. Der Betreffende erhielt dafür die Kosten
der Lehr und Lernbehelfe und der Sprachstunden rückerstattet (Hubatschke
1975a, 5 : 1320). Durchschnittlich arbeiteten die Beamten der Ziffernsektion
in vier bis sechs Sprachen, manche jedoch in einer ungleich höheren Anzahl,
162 Die Hilfsämter des Ministeriums des Äußern hatten die Aufgabe, die schriftlichen Produktionen
der einzelnen Referate und Departements reinzuschreiben, zu expedieren und zu archivieren (vgl.
Bittner 1937 : 836).
163 Aus den Akten des Haus , Hof und Staatsarchivs geht hervor, dass sich Leopold von Sacher
Masoch 1858 um eine Anstellung in der Ziffernsektion bemühte. Sein Vater schickte am
1.5.1858 ein Empfehlungsschreiben für seinen zu jener Zeit als Privatdozent für Geschichte an
der Universität in Graz tätigen Sohn. Es wurde jedoch ein anderer Kandidat vorgezogen (vgl.
HHStA, Administrative Registratur, Fach 4, Karton 396, Zl. 5307/58).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437