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Literaturpreise 231
stellung Trebitschs als schlechten Schriftsteller und Juden, der den Anforderun
gen eines renommierten Preises durch diese negative Bewertung nicht gerecht
werden kann, und ein zweites Mal durch die Anschuldigung an die Preisrichter,
ihre Macht missbraucht zu haben, indem sie – noch dazu durch Beeinflussung
von außen – einem (nicht würdigen) »Protegé« den Preis zukommen ließen.
Durch diese doppelte Schaffung von Differenz versucht sich die Zeitung im
literarischen Feld stärker zu positionieren und ist im Zuge dieser Positionie
rungsversuche bedacht, alle nur möglichen Kapitalarten ins Spiel zu bringen :
das kulturelle Kapital des Autors, das als minderwertig diffamiert wird, das sym
bolische Kapital des Autors, das einerseits aufgrund seiner Zugehörigkeit zum
Judentum per definitionem gar nicht vorhanden sein kann und, sollte dies doch
zumindest in Ansätzen der Fall sein, aufgrund der Protektion durch die Jury
ad absurdum geführt wird, das soziale Kapital der Preisrichter, das als Miss
brauch kritisiert wird, das kulturelle Kapital der Preisrichter, das aufgrund der
minderwertigen literarischen Qualitäten des Preisträgers implizit infrage ge
stellt wird und das symbolische Kapital von gleichermaßen Preisrichtern und
Preisträger, das durch die im Leitartikel propagierte falsche Entscheidung, den
Preis an Trebitsch zu verleihen, hinterfragt wird. Die Zeitung selbst bringt ihr
eigenes symbolisches Kapital ins Spiel, wenn sie in Anbetracht der geschilderten
»Schandtaten« zunächst die korrupte Presse anprangert und sodann einer »gu
ten Presse« das Wort redet, die keine »Lumpereien befürwortet« : Sie bietet sich
damit, verstärkt durch diesen Rückgriff auf ihre Kritik an den Machenschaften
der Preisrichter, als Garantin für eine unabhängige, kritische Berichterstattung
an und geht dabei so weit, ihre am Beginn des Artikels geäußerten rassistischen
Beschimpfungen zu relativieren, indem sie nochmals den »unfähigen Juden«
erwähnt, jedoch mit dem Versuch einer Milderung hinzufügt : »ohne daß bei
diesem Anlasse der Antisemitismus irgend welche Rolle spielen soll«. Für den
gesamten Fall erscheint auch aufschlussreich und für das Funktionieren des Fel
des um die Jahrhundertwende symptomatisch, dass das ökonomische Kapital
hier von keinem der Beteiligten zur Sprache kommt. Die Höhe des Preises ist
freilich zu gering, um materielle Bereicherung als Movens für die Verleihung
nennen zu können, doch erscheint auch von Bedeutung, dass die Juroren für
ihre Tätigkeit im Allgemeinen, und so auch im Fall des Bauernfeldpreises, nicht
entschädigt wurden (vgl. Knöfler 2000 : 297). Das ökonomische Kapital spielt
hier auch im Rahmen der Stiftung von Differenz keine Rolle, wobei nicht zu
vergessen ist, dass nach Bourdieu Differenz immer erst Sinn ergibt, wenn sie
von den anderen AkteurInnen anerkannt wird. Gerade dies kann im Falle des
ökonomischen Faktors im Fall Trebitsch nicht zutreffen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437