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Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 259
duktion jedoch – aus genannten Gründen – relativ konstant) könnte auf eine
geänderte Übersetzungspolitik vonseiten verschiedener Verlage zurückzuführen
sein, die sich vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten vor der Jahrhundert
wende darin äußerte, dass weniger Reihen geführt bzw. die Tätigkeit in den
vorhandenen Reihen eingeschränkt wurde. So war das Wiener Theater-Repertoir
im Wiener Verlag Wallishausser hauptsächlich von 1853–1886 aktiv, das Belle-
tristische Lesecabinet der neuesten und besten Romane aller Nationen in sorgfältigen
Uebersetzungen von Hartleben bis 1879 (Bachleitner 2000 : 324f.).220 Des Wei
teren wurde im Laufe der Jahrzehnte sukzessive dem Nachdruckwesen zu Leibe
gerückt, was sich zunächst offensichtlich auf die Übersetzungstätigkeit aus dem
Französischen, die den weitaus größten Teil der jährlichen Übersetzungspro
duktion ausmachte, niederschlägt : 1866 wurde mit Frankreich ein Vertrag ge
schlossen, der den Schutz vor Nachdrucken sowie die jeweiligen Übersetzungs
rechte reglementierte ; diesem Abkommen ging ein Vertrag mit Sardinien im
Jahre 1840 voraus, der 1890 durch einen Vertrag mit dem neu entstandenen
Nationalstaat Italien erneuert wurde ; 1893 schließlich folgte ein Abkommen
mit Großbritannien.221 Die hier erarbeiteten Daten ergeben jedoch, dass bis auf
Frankreich, wo eine mehr oder weniger über die Jahre gleichbleibende Produk
tion festzustellen ist und nur im Jahrzehnt 1878–1887 ein (relativer) Tiefpunkt
zu verzeichnen ist, der unter Umständen auch auf das Abkommen zurückzu
führen sein könnte, kein Rückgang in der Übersetzungsrate zu verzeichnen ist,
sondern eher konstante Steigerungen. Es stellt sich hier eher die Frage, wie hoch
die Übersetzungsproduktion aus diesen Sprachen tatsächlich wäre, wenn es mit
den betreffenden Ländern keine Abkommen gegeben hätte. Die Beantwortung
dieser Frage kann nur spekulativ sein, doch ist davon auszugehen, dass weitere
stärkere Erhöhungen in der Übersetzungsproduktion, die eine kontinuierliche
Entwicklung eigentlich mit sich bringen müsste, durch die hier genannten Fak
toren zumindest gebremst wurden.
Die geringen Übersetzungszahlen aus dem Englischen sind darauf zurück
zuführen, dass diese in Schlösser (1937) erst ab 1895 ausgewertet wurden. Die
Diskrepanz in den Übersetzungen aus dem Italienischen für das Jahr 1899
dürften unter anderem aus der Tatsache resultieren, dass ein Viertel der in die
sem Jahr publizierten Übersetzungen (3 von 12) in Zeitschriften erschienen,
220 Es wird hier nochmals auf Pym verwiesen, der meint, dass die Übersetzungsproduktion oftmals
von (mehr oder weniger) kurzfristigen Projekten abhängig ist (Pym 1998 : 85).
221 Die Habsburgermonarchie trat, wie erwähnt, der 1886 gegründeten Berner Konvention nicht
bei ; vgl. dazu vor allem Junker (1900), Altschul (1917), Dillenz (1993), Gerhartl (2000).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437