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Österreichisch-italienische Wahrnehmungen 269
rung eine der größten nichtdeutschen Nationalitäten des Reichs. 1866 wurde
eine Bevölkerung von 2.500.000 gezählt ; nachdem im selben Jahr auch Vene
tien in den italienischen Nationalstaat eingegliedert worden war, zählte die ita
lienische Volksgruppe zu den kleinsten sprachlichen Minderheiten und lebte
nun auch nicht mehr in einem territorial zusammenhängenden Gebiet, sondern
geografisch aufgesplittet. Die Volkszählung von 1910 ergab bei einer Gesamt
bevölkerung von 27.677.800 EinwohnerInnen Cisleithaniens einen italienisch
sprachigen Anteil (in Tirol, Vorarlberg, Triest, Görz Gradisca, Istrien, Dalma
tien und Wien, alles inklusive Ladinisch und Friulanisch) von rund 768.000
oder 2,8 %. Gesamtheitlich auf Cisleithanien bezogen waren im Jahr 1910 in
der Landwirtschaft 2,6 % Italienischsprachige beschäftigt, in Industrie und Ge
werbe 2,4 %, in Handel und Verkehr 3,2 % und im öffentlichen Dienst bzw. in
freien Berufen 3 % (Corsini 1980 : 847f. und Pichler 2000 : 172).
Die Mehrzahl der Italienischsprachigen lebte demnach in urbanen Zentren.
Theodor Veiter leitet aus der auffallend geringen Zahl italienischer Auswan
derer aus der Habsburgermonarchie (Auswanderung 1913 in die USA : 0,4 %
der Gesamtrate)229 ihre durchschnittlich gute wirtschaftliche Position ab und
bringt dieses Phänomen unter anderem mit der gesellschaftlichen Struktur der
habsburgischen ItalienerInnen in Verbindung : Viele von ihnen, vor allem in
den Küstengebieten, waren dem Adel, der Geistlichkeit oder dem Geschäftsbür
gertum zuzuordnen, zusätzlich zählten viele Intellektuelle dazu, und in weiten
Teilen waren sie der »besitzenden Klasse« zugehörig, wobei Veiter anmerkt, dass
gerade diese Gruppe in Triest und im Trentino vielfach dem Irredentismus230
zuneigte, während die Bauern und Pächer überwiegend habsburgisch gesinnt
waren. Gleichzeitig waren sie unter der Beamtenschaft sowohl in der Region als
auch in der Residenzhauptstadt relativ stark vertreten (Veiter 1965 : 20).
Die Verbindung zwischen »Italien« und der Monarchie war – wie bereits er
wähnt – jahrhundertelang sehr eng und reichte von alltagskulturellen Verflech
tungen (die sukzessive Integration von italienischen Kaminfegern, Schneidern
etc. in die urbanen habsburgischen Gesellschaften bzw. von habsburgischen
Staatsdienern231 u.a. in die italienischsprachigen Gesellschaften) bis zur Hoch
kultur, wo Italiener kurz oder langfristig in die Monarchie migrierten, um als
229 Zum Vergleich : Im Jahr 1914 betrug die Auswanderung aus Italien 14 % der Gesamtbevölke
rung, davon 6,6 % in die USA (Veiter 1965 : 20).
230 Politische Bewegung in Italien, die die Vereinigung aller Gebiete der österreichisch ungarischen
Monarchie mit italienischsprachiger Bevölkerung mit Italien betrieb.
231 Vgl. dazu etwa Himmel (1972 : 83–92).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437