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346 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
nen, von denen biografische Daten eruiert werden konnten,276 nämlich 55 %, war
schriftstellerisch und/oder journalistisch tätig ; 12 % waren Professoren an einer
öster reichischen Universität. Von immerhin 10 % liegt die Angabe vor, dass sie
ÜbersetzerInnen waren ; da diese Tätigkeit an erster Stelle genannt wurde, kann
geschlossen werden, dass diese Person die übersetzerische Arbeit vorrangig
bzw. hauptberuflich ausübte. Der Rest der Übersetzer war als Gymnasiallehrer,
Theologe, Musiker oder beim Militär beschäftigt, und viele waren zusätzlich als
Politiker tätig. Von der überwiegenden Mehrheit der ÜbersetzerInnen liegen
mehrfache Angaben über ihre Tätigkeit vor (60 %) : Größtenteils handelt es sich
um Tätigkeiten, die eine logische Verknüpfung aufweisen (etwa »Schriftsteller
und Redakteur« oder »Professor für Literaturgeschichte und Dichter«), andere
wiederum weisen divergente Berufsrollen auf (etwa »Kunsthistoriker, Arzt und
Übersetzer« oder »Ingenieur und Schriftsteller«).277
Diese Konstellationen weisen auf die Positionierung der einzelnen Über
setzerInnen in unterschiedlichen Feldern bzw. deren Überlappungsbereichen
hin, die letztendlich dazu beitrug, dass im Vermittlungsraum nur in geringfü
gigem Ausmaß dauerhafte Positionen aufgebaut werden konnten, obwohl ein
geräumt werden muss, dass gerade SchriftstellerInnen oder PublizistInnen, die
auch Übersetzungen anfertigten, über zusätzliches Kapital verfügten, das sie im
Bemühen um Positionierung im Vermittlungsraum einbringen konnten. Dies
trifft freilich weniger auf SchriftstellerInnen zu, die hauptsächlich aus Grün
den zusätzlicher Einkommen einer translatorischen Tätigkeit nachgingen (vgl.
Albrecht 1998 : 18). Ein typisches Beispiel für den »migratorischen« Charakter
der beruflichen Situation von ÜbersetzerInnen im Untersuchungszeitraum ist
Cajetan Cerri (1826–1899). Cerri wurde in Bagnolo bei Brescia geboren, kam
mit 13 Jahren nach Wien, wo er später als Professor für italienische Sprache am
Wiener Konservatorium unterrichtete, bevor er in den Staatsdienst eintrat und
Sektionsrat im Ministerium des Äußern wurde, wo er, wie bereits an anderer
276 Von etwa 35 % aller ÜbersetzerInnen konnten keine Daten gefunden werden. Die vorliegenden
biografischen Angaben wurden, wenn nicht anders ausgewiesen, einschlägigen biografischen Le
xika und anderen Nachschlagewerken entnommen.
277 Diese Berufs Konstellationen sind ein eindeutiger Hinweis auf die Veränderungen, die der Ver
mittlungsraum qua »Übersetzungsraum« seit dem 18. Jahrhundert erfahren hat : Knufmann ent
wirft in Das deutsche Übersetzungswesen des 18. Jahrhunderts eine Typologie von ÜbersetzerInnen,
zu denen »gelehrte Übersetzer«, »Sprachpädagogen«, »Amateure und Sonntagsübersetzer« und
»Allerweltsliteraten oder Professionelle« gezählt werden (Knufmann 1967 : 2681f.). Eine solche
Typologie ist für die berufliche Situation der ÜbersetzerInnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahr
hunderts kaum mehr zutreffend.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437