Page - 349 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Image of the Page - 349 -
Text of the Page - 349 -
Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 349
Die wichtigsten AkteurInnen in dieser Phase des Übersetzungsbetriebs sind
VerlegerInnen. Reinhard Wittmann bezeichnet Verlage mit Recht als »Torhüter
zu Ruhm und Erfolg«, deren Bedeutung durch den Zuwachs an Literaturpro
duzentInnen im 19. Jahrhundert, die mit ihrer »Ware« auf den Markt drängten,
stetig anstieg (Wittmann 1999 : 161). Diese Rolle scheint mit der Fortführung
strenger Pressegesetze (auch nach der Einführung der »Preßgesetzgebung« von
1862, siehe Kapitel 7) in Widerspruch zu stehen, da Verlage weiterhin über den
Inhalt der von ihnen verlegten Schriften mit Sorgfalt wachten, war doch der
wirtschaftliche Schaden im Falle der Beschlagnahme ungleich höher war als
zu Zeiten der Zensur.280 Die Verlage schienen jedoch über genaue diesbezüg
liche Kenntnisse verfügt zu haben, die auf langjährigen Erfahrungen beruhten
und die ihrer hauptsächlichen Funktion als kommerzielle Vermittlungsinstanz
Vorschub zu leisten vermochten. Ebenso wie in anderen Ländern ging im habs
burgischen Österreich – wenn auch mit einiger Verspätung gegenüber den deut
schen Nachbarn – im Zuge einer verstärkt marktwirtschaftlichen Ausrichtung
die durch technische Neuerungen mitinitiierte Dynamisierung und Industriali
sierung der Buchproduktion mit einer Differenzierung und Spezialisierung der
Verlagsproduktion einher.
Diese Entwicklungen sind an der Verlagslandschaft der Monarchie deutlich
erkennbar. Die 306 Übersetzungen aus dem Italienischen erschienen an insge
samt 13 Verlagsorten in 84 Verlagen und 18 verschiedenen Zeitschriften. Das
Monopol über die Übersetzungsproduktion hatte erwartungsgemäß Wien mit
insgesamt 51 Verlagen und 16 Zeitschriften, in denen 198 Übersetzungen er
schienen, also etwa zwei Drittel der Gesamtproduktion italienischer Überset
zungen. Ohne die Bedeutung anderer Verlagsorte in Abrede zu stellen, deutet
diese Anhäufung an Verlagen in einer Stadt nicht nur auf eine Konzentration
unterschiedlicher Arten von Kapitalien hin, sondern auch auf das Vorhanden
sein vielgestaltiger Netzwerke, die der Produktion von Übersetzungen in jeder
Hinsicht förderlich war. Diese Voraussetzungen ermöglichten die (Ko )Exis
tenz verschiedener Produktions und Zirkulationsweisen, die unterschiedlichen
Logiken gehorchten. Bourdieu spricht von zwei Polen, an dessen einem Ende
die »anti ›ökonomische‹ Ökonomie der reinen Kunst« angesiedelt ist, die das
Kommerzielle verleugnet und sich an der Akkumulation symbolischen Kapitals
orientiert. Am anderen Ende herrscht die »ökonomische« Logik der Literatur
industrie, »die aus dem Handel mit Kulturgütern einen Handel wie jeden ande
280 Vgl. zu Details der Auswirkungen der »Preßgesetzgebung« auf die literarische Produktion italie
nischer Texte in Original und Übersetzung Wolf (2001 : 171ff.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437