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schungsstrategisch ist eine solche Rolle generell nicht erstrebenswert.356 Ein In-
terviewpartner schrieb mir einmal im Vorfeld einer Erhebung, dass er sich schon
auf ein gutes Feedback freuen wĂŒrde. Ich erwiderte darauf, dass ich in keiner
Weise komme, um zu evaluieren oder Feedback zu erteilen, sondern vielmehr,
um von den Lehrpersonen zu lernen und ihre Stimmen als Experten wahrzu-
nehmen. Auch wenn dieser Lehrer nicht erwarten musste, dass die Beobachtung
und das Interview meinerseits irgendwelche Folgen nach sich ziehen, war es
dennoch wichtig, ihm nicht das GefĂŒhl zu geben, sich beweisen zu mĂŒssen.
Eine weitere Rolle, die der interviewenden Person zugeschrieben werden
kann, ist die Rolle eines âKomplizenâ. Dabei wird der Interviewer als Mitstrei-
ter âin einem Macht durchsetzten Handlungsfeldâ357 gedeutet und ihm ein ganz
besonderes Vertrauen entgegengebracht, âdas darauf basiert, dass man zentrale
normative Orientierungen teiltâ358. Der Komplize/die Komplizin ist âeine/r
von unsâ. Diese Rolle ist prinzipiell in Interviews mit Lehrpersonen eine inter-
essante Option, da sie hochgradig vertrauensfördernd ist:
âThe assessment that the researcher is an accomplice is an incalculable advantage
for the interview. The interviewer gains access to confidential information, she or
he can build on the high level of openness and honesty of the answers, and she or
he is given insights into real strategies and action orientations that go well beyond
official aims and objectives or legitimation patterns.â359
Ich habe den Lehrpersonen immer gesagt, dass ich persönlich der Meinung bin,
dass man in den universitÀren Fachdidaktiken die Stimmen der Lehrer/innen
und ihre Erfahrungen in der Praxis bisher zu wenig berĂŒcksichtigt hat. DarĂŒber
hinaus wies ich vor den Interviews immer auch beilÀufig darauf hin, dass ich
selbst in einer Schule unterrichte, was zum damaligen Zeitpunkt der Fall war.
Damit versuchte ich zusÀtzlich zur Rolle des Co-Experten ein wenig die Rolle
eines Komplizen einzunehmen. RĂŒckblickend habe ich den Eindruck, dass auch
dies der Offenheit der GesprÀchssituation zutrÀglich war. Die bewusste Einnah-
me einer Komplizenrolle ist fĂŒr Interviews mit Lehrpersonen sicherlich förder-
lich, allerdings nur, wenn sie nicht gespielt ist und nicht gegen die innere Ăber-
zeugung der interviewenden Person eingenommen wird.
356 Vgl. Bogner u. a. 2014, S. 54.
357 Bogner u. a. 2014, S. 53.
358 Ebd.
359 Bogner/Menz 2009, S. 67.
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Table of contents
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht â normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂŒbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂŒbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂŒbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂŒrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂŒr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277