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dass Codierer 1 im Feld persönlich mit der Lehrperson das Interview durchge-
fĂĽhrt hat und diese Lehrperson eine Stunde lang beobachtet hat, dazu fĂĽhrte,
dass bei der Kategorisierung diese Erfahrung und damit der Kontext präsent war
und die Einschätzung der Lehrperson prägte, während Codierer 2 die Einstel-
lung hinsichtlich Kompetenzorientierung lediglich aufgrund des Interviewtex-
tes rekonstruieren konnte.
Im Fall der Lehrperson N20_m lautete die Einschätzung von Codierer 1
„eher positiv“ und von Codierer 2 „eher negativ“. Die unterschiedliche Einschät-
zung in diesem Fall ist aufschlussreich und es konnte im Gespräch geklärt wer-
den, dass es sich um ein Missverständnis vor einem kulturellen Hintergrund
handelt. Codierer 2 war aus Deutschland und erst seit anderthalb Jahren in Ă–s-
terreich tätig, Codierer 1 ist Österreicher. Die Interviewperson N20_m hat in ih-
rem Interview einen stark dialektal geprägten, kolloquial österreichischen Kom-
munikationsstil an den Tag gelegt, wie er in der Stadt Wien bisweilen gepflegt
wird und welcher Codierer 2 wenig vertraut ist. Auf die Frage, warum Kompe-
tenzorientierung einen eher schlechten Ruf hat, antwortet N20_m in diesem
Sinne:
B: […] Das ist so das klassisch Österreichische: zuerst einmal sudern399, weil
wir es können und weil wir es immer schon gelernt haben.
I: Auf hohem Niveau natĂĽrlich.
B: Ja, na, teilweise auf hohem Niveau, aber Hauptsache, es ist ein Sudern, ja.
Man sagt, es ist nicht ganz Arsch400, ja. Man sagt nicht, es ist leiwand401 oder
super, sondern man muss es immer irgendwie negativ färben. Und so ist es
auch da.
In dieser Textstelle, die weiter unten bei der Ergebnisdarstellung noch einmal
angefĂĽhrt werden wird, bezieht sich die Lehrperson auf jene, die Kompetenz-
orientierung kritisieren, und zwar lediglich deshalb, weil es nach der Einschät-
zung von N20_m Personen in Österreich gibt, die generell „alles“ kritisieren
wĂĽrden. Die Lehrperson sprach weiter ĂĽber diese Personen, wobei der letzte
Satz, der nicht ganz schlĂĽssig erscheint, von Codierer 2 nicht in diesem Sinne
verstanden wurde:
399 Umgangssprachlich für „jammern“.
400 „Es ist kein totaler Blödsinn.“
401 „Spitze“, „cool“.
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Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Title
- Von PISA nach Wien
- Subtitle
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Author
- Roland Bernhard
- Publisher
- WOCHENSCHAU Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 284
- Category
- LehrbĂĽcher
Table of contents
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăśberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂśberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂĽbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂĽrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂĽr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277