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Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente |
77Die
Kunstlandschaften in den tersuchten österreichischen Regionen
Die Kunstlandschaften in den untersuchten österreichischen
Regionen
Auf Schwierigkeiten stößt man beim Versuch, die im Katalog beschriebenen baro-
cken Tischlerarbeiten im Osten und Nordosten Österreichs zu stilistisch homoge-
nen Gruppen zusammenzufassen. Bislang kristallisieren sich nur ansatzweise einige
Besonderheiten heraus : Zunächst sei an dieser Stelle auf Eingangstüren der Stadt-
pfarrkirche und der Jesuitenkirche in Linz sowie der Stiftskirche des Klosters Schlägl
(Abb. 324, 364) aus der Mitte und dem dritten Viertel des 17. Jahrhunderts aufmerk-
sam gemacht.160 Die Tischler lösten die großflächigen Füllungen dieser Portale op-
tisch in Gitterwerk auf, das aus diagonal angeordneten Stäben und diamantförmigen
Rauten besteht. Kleine Kugeln schmücken die Spitzen der Rauten. Unserem gegen-
wärtigen Kenntnisstand zufolge stand das auf 1654 datierte Hauptportal der Stifts-
kirche Schlägl in Oberösterreich am Anfang dieser Serie ; es ist das bislang früheste
nachgewiesene Beispiel für die besondere Art der Gestaltung.
Der Architekturtheoretiker Sebastiano Serlio fügte Darstellungen von unterschied-
lich geformten Diamantquadern in jenes Kapitel seines 1537 erschienenen vierten
Buches ein, in dem er sich mit Gestaltungsmöglichkeiten der toskanischen Ordnung
beschäftigt, einer Ordnung, die vor allem ruralen Gebäuden und Architekturen mit
Wehrcharakter zukam.161 In seinem 1551 publizierten Buch zur Formgebung von Por-
talen finden sich ferner mit quadratischen Bossen ornamentierte Türflügel. Außer-
dem präsentiert er dort Portalanlagen mit Nischen, die ein rautenförmiges Gitterwerk
schließt.162 Im 1575 posthum veröffentlichten siebten Buch stellte Serlio schließlich
ein arkadenförmiges Portal mit hochrechteckigen Türblättern und einem halbrunden,
mit Rauten dekorierten Bogenfeld vor.163 Türflügel, die wie jene der Kirchen in Linz
und Schlägl mit Diamantbossen verziert wären, kommen bei ihm nicht vor. Allerdings
besitzen etliche barocke Palazzi Portale mit Diamantbossen. Zudem belegen zwei vor
1584 geschreinerte Türblätter in Reggio Emilia, dass auch in Norditalien und schon
im 16. Jahrhundert mit der Existenz solcher Arbeiten zu rechnen ist.164 Die beiden
Exemplare tragen sogar Reihen kleiner Kugeln, die jedoch eher an Nagelköpfe oder
160 Zur Tür der Stadtpfarrkirche vgl. ÖKT, Linzer Kirchen (1964), 362–363, Abb. 395.
161 5. Kapitel, 4. Buch in Serlio, Architettura (1584), 138v.
162 »Libro estraordinario […] nel quale si dimostrano trenta porte di opera mista […]« ; das Buch folgt auf
das fünfte Buch Serlios. Serlio, Architettura (1584), 3r, 6r, 9r, 9v.
163 36. Kapitel, 7. Buch in Serlio, Architettura (1584), 89r.
164 Ferrari, Legno [ca. 1928], 191, Taf. 123. Zu einem Kabinettschrank von 1650 aus Vicenza vgl. Co-
lombo, L’arte (1981), Abb. 316. Beide Arbeiten sind allerdings nicht mit Rauten verziert, sondern mit
Quadern, die man waagerecht in die Flächen einfügte.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693