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116 | Sakristeien
Betpulte, Kniebänke und Bankpulte
Als weiteren Einrichtungsgegenstand von Sakristeien empfiehlt Borromeo ein scabel-
lum, während Müller ein Schemmelein oder Stöcklein [erwähnt], darauff der Priester in
dem Gebett knien könne.313 Unter diesem Begriff verstanden Borromeo und Müller also
keinen Hocker, sondern eine Kniebank, die auch noch heute gelegentlich als »Knie-«
oder »Betschemel« bezeichnet wird. Im RDK findet sich das Stichwort »Kniebank«
unter dem Lemma »Betpult«, als weitere Unterordnungen werden dort »Kastenpulte«
und »Bankpulte« aufgeführt.314 Unter einem »Kastenpult« versteht der Autor des
RDK-Beitrages ein Kastenmöbel mit Gebetbuchablage ohne Kniebank, unter einem
»Bankpult« ein ähnliches Möbel mit Kniebank. Es spricht nichts dagegen, diese De-
finitionen hier zu übernehmen.315 Zahlreiche renaissance- und barockzeitliche Bild-
werke geben seitlich geöffnete Kastenpulte zu erkennen, in denen Bücher oder andere
Schriftstücke verwahrt werden. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit besit-
zen neben den Kniebänken jedoch Bankpulte die größere Relevanz.
Wie verschiedentlich betont wurde, stellte man auch diese Möbel in den Sakristei-
räumen meist frei auf, weshalb viele der originalen Exemplare verloren gegangen sein
dürften.316 Andererseits kann im Hinblick auf die barocken Stücke, die sich noch
heute in Sakristeien befinden, nur selten der Nachweis erbracht werden, dass sie dem
ursprünglichen Bestand zuzurechnen sind. Beispielhaft hierfür stehen die Kniebänke
in der Sakristei der Stiftskirche Zwettl (Abb. 280). Die verwendeten Materialien und
die Form der Intarsien lassen zwar darauf schließen, dass die Möbel zum barocken
Inventar des Raumes zählen, doch ist das keineswegs mit letzter Sicherheit zu bestim-
men.
Nur wenige Pulte sind wie die drei Exemplare in der Wiener Augustinerkirche
(Abb. 01) fest mit der Wandvertäfelung oder dem Schrankwerk einer Sakristei ver-
bunden. Der größte Teil der dortigen Ausstattung entstand zwischen 1702 und 1704,
1720 wurde das Interieur modifiziert. Die Kniebänke scheinen damals hinzugefügt
und am Getäfel befestigt worden zu sein. Als außergewöhnlich präsentieren sich die
beiden Betpulte in St. Josef ob der Laimgrube, ebenfalls Wien (Abb. 64). Durch die
kompositionelle Bindung an die Gestaltung der Ankleidekredenzen geben sie sich
unzweifelhaft als zum originalen Bestand gehörig zu erkennen. Dabei erinnern sie
313 Borromeo, Instructiones fabricae (2000), Bd. 1, 140–141 ; Müller, KirchenGeschmuck (1591), 117.
314 RDK, Bd. 2 (1938), Sp. 378–383 ; Keller, Sakristeien (2009), 100, 101.
315 Im LKK kommen Lemmata wie »Bankpult«, »Betbank«, »Kastenpult« oder »Kniebank« nicht vor, al-
lerdings finden unter den Begriffen »Betbankdecke« und »Kniekissen« die »Betbank« und der »Bet-
schemel« Erwähnung, ohne dass Erläuterungen der Begriffe gegeben würden. LKK, 39, 126.
316 Keller, Sakristeien (2009), 100 ; Gierse, Bildprogramme (2010), 103–104.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693