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Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern |
119Der
Kollationsgang – Lage und Funk io
Inneneinrichtung der Möbel selbstverständlich nach ihrem Inhalt. Mit ihrer äußeren
Gestaltung gleichen sie prinzipiell profanen Stücken, deren architektonisch aufge-
baute Fronten auf einer Ebene vom Sockel bis zum oberen Abschluss durchlaufen. Die
tiefe Freifläche über dem Unterschrank, welche Ankleidekredenzen auszeichnet, wird
an Schatzkammermöbeln nicht benötigt.319 Zwar können die Fassaden der Paramen-
tenschränke durch Gesimse in verschiedene Geschosse unterteilt sein, doch werden sie
von Säulen und Pilastern optisch zu Einheiten zusammengefasst. Die Verzierungen
der Möbel mit Schnitzarbeiten und Intarsien basieren auf dem Formenkanon, den
wir bereits in Verbindung mit den Sakristeimöbeln kennengelernt haben. Enden die
vor 1620 gebauten Paramentenkästen in Kremsmünster noch mit einem geraden Ge-
bälk (Abb. 298, 302), so passen sich die in den 1650er-Jahren verfertigten Möbel der
Prälatensakristei in Schlägl und der Paramentenkammer des Dominikanerklosters der
Wölbung der Räume an (Abb. 11, 366–367). Diese Möbelensembles wurden eigens
für ihr jeweiliges Ambiente geschaffen. Sie sind die frühesten Beispiele für wandfeste
Sakristei- bzw. Schatzkammerausstattungen, die sich im Osten Österreichs nachwei-
sen lassen.320
Der Kollationsgang – Lage und Funktion
Dem Idealplan von St. Gallen zufolge sollte sich der Kreuzgang auf der Südseite der
Kirche befinden, Fraterie, Refektorium, Dormitorium und andere Räumlichkeiten, die
für den Tagesablauf der Mönche grundlegend waren, säumten ihn. Der Kapitelsaal
kam erst im 11. Jahrhundert hinzu.321 Tatsächlich entspricht dies dem architektoni-
schen System vieler, wenn nicht der meisten Abteien nördlich der Alpen. In Klöstern
unseres Kulturraums führt der sich an die südliche Außenwand der Kirche anleh-
nende nördliche Flügel des Kreuzgangs in den Chor der Kirche. Dieser Flügel, der
sogenannte Lektions- oder Kollationsgang, ist mit Bänken ausgestattet, da die Klos-
tergemeinschaften hier ursprünglich das Kapitel abhielten322, außerdem kamen die
Mönche im Lektionsgang der Verpflichtung zu täglichen Lesungen nach. Sowohl zur
Kirche zu als auch gegenüber zum Garten hin sind in den Abteien von Heiligenkreuz
319 Als für eine Schatzkammer ungewöhnlich erweisen sich die beiden Möbel in Lilienfeld (Abb. 195),
doch schuf man sie vermutlich einst für die Sakristei der Klosterkirche.
320 Nach Renz-Krebber, Sakristeischränke (1998), 45, befindet sich in der Stiftskirche St. Zeno in Bad
Reichenhall das älteste bekannte süddeutsche Beispiel einer wandfesten Sakristeiausstattung. Das Mo-
biliar entstand nach 1640.
321 Braunfels, Klosterbaukunst (1969), 16 ; Schwaiger/Heim, Orden (2002), 100–102.
322 Braunfels, ebd., 39, 43.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693