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36 | Handwerker und Kunsthandwerker
Eine entsprechende Empfehlung könnte ebenso Matthias Steinl (1643/44–1727) un-
terbreitet haben, der in mehreren Professionen bewandert und in den drei Stiften zu-
mindest mit beratender Funktion tätig war. Schließlich scheint denkbar, dass der Name
Nallenburgs auf direktem Wege innerhalb des Ordens weitergereicht wurde.
Viele Zünfte im deutschsprachigen Raum untersagten den Handwerksmeistern die
gleichzeitge Beschäftigung von mehr als zwei Gesellen und zwei Lehrlingen. Aus-
nahmen von dieser Anordnung wurden akzeptiert, wenn Handwerker Aufträge für
den hohen Klerus und den Adel ausführten oder im Besitze des begehrten Titels ei-
nes Hof- bzw. hofbefreiten Handwerkers waren.27 So stand der Hoftischler Gregor
Perchtoldt († 1659) aus Piber zusammen mit vier Gesellen in der Werkstatt, als er
die Sakristeieinrichtung des Stiftes St. Lambrecht (Abb. 263–269) fertigte. In der
Stiftstischlerei zu Stams waren im frühen 18. Jahrhundert zwölf Angestellte beschäf-
tigt, in der Göttweiger nicht weniger als 15.28 Und 1764 errichtete der aus Wien
gebürtige Hofschreiner Franz Anton Herrmann (1711–1770) mit etwa 15 Gesellen in
Frankfurt eine Ehrenpforte zur Krönung Josephs
II. (1741–1790), zugleich baute er an
einem Chorgestühl für den Mainzer Dom.29 Während in der Frühen Neuzeit zünftige
Tischlereien, in denen der Meister mit drei oder vier Mitarbeitern an der Hobelbank
stand, zu den größeren Werkstätten zählten30, erzwangen im sakralen Ambiente die
Menge und die schiere Größe des benötigten Kirchenmobiliars eine Zusammenarbeit
mehrerer Handwerker.31 Mit der Herstellung der Bänke für die Wiener Schotten-
kirche wurden deshalb 1717 Jacob Kuontz und Jakob Müller (1664–1746) verpflich-
tet, denen man eine Frist von sechs Monaten zur Ausführung des Auftrags gewährte.
27 Zum Hof- und hofbefreiten Handwerk s. bes. Haupt, Hofhandwerk (2007), bes. 13–164 ; Rescher, Ju-
risdiktion (2017). Zum Vergleich mit der Situation in anderen Städten des Römischen Reiches s. die
relevanten Beiträge in Tacke/Fachbach/Müller, Hofkünstler (2017).
28 Zu Stams vgl. den entsprechenden Abschnitt im Katalog, zu Göttweig s. Ritter, Regesten [o. J.], RR
1721, Nr. 140, 141, 143 ; RR 1722, 178 ; Ritter, Forschungsergebnisse (1961), 71 ; Ritter, Bauherr (1972),
124.
29 Dobras, Hofhandwerker (2017), 33. Zu Herrmann vgl. Wolf, Identifikation (1988), 77–83 ; Zinnkann,
Meisterstücke (1988), bes. 49–52.
30 In den 1640er-Jahren wurden in Innsbruck zehn Tischlereien mit insgesamt sieben Gesellen und sechs
Lehrlingen gezählt, in Salzburg elf Tischlermeister mit sieben Gesellen, vier Lehrlingen und einem
Meistersohn. Einmannbetriebe gehörten in vorindustriellen Städten zur Normalität, Werkstätten mit
zwei oder drei Gehilfen waren die Ausnahme. Mathis, Bevölkerungsstruktur (1977), 20, 77, 175, 214,
261. Das entspricht etwa der Größe Augsburger und Ingolstädter Werkstätten in jener Periode. Berge-
mann, Meisterrisse (1999), 48–51 ; Loescher, Kistlerhandwerk (2000), 56–58.
31 Ähnliches galt ebenfalls für Maurerbetriebe. 1722 soll der in der Zunft der Maurer inkorporierte Archi-
tekt Johann Georg Stengg (1689–1753) 45 Gesellen beschäftigt haben. Rust, Stengg (2009), 226. Und
beim Bau von St.
Veit in Pöllau wurden zusammen mit zwei Polieren im Durchschnitt 20 Gesellen, zwei
Lehrjungen und bis zu 70 Tagelöhner beschäftigt. Vgl. zu Pöllau das Kapitel im vorliegenden Buch.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587