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Zusammenfassung und Ausblick |
561Vermittlung
und Weitergabe neuer Formen
– Österreichische Kunstlandschaften
tarstücke aus den beiden Kunsträumen formal mitunter kaum unterscheiden.16 Aus
welcher Richtung die ausschlaggebenden stilistischen Impulse kamen, ob aus dem
Norden oder aus dem Süden, ist bislang oft nicht zu klären. Sicher können wir aller-
dings im Hinblick auf andere Inventarstücke sein : Gemeint sind toskanische Möbel,
die mit Flammleisten verziert sind. Ohne den unmittelbaren Einfluss süddeutscher
oder österreichischer Handwerker ist der Gebrauch der Zierleisten in dieser Region
Zentralitaliens nicht überzeugend zu erklären.17 Es wäre mithin zu ergründen, ob die
Stilentwicklung des Mobiliars nicht auf reziproken Wirkungsprozessen beruhte und
sehr viel komplexer war, als in der Vergangenheit dargestellt. Bisher klammerte die
deutschsprachige Forschung diese Möglichkeit nahezu komplett aus.18
Als Konsequenz aus dem internationalen Austausch von stilbildendem Formenvo-
kabular lassen sich manchmal Überlagerungen vielfältiger Stilmerkmale und formaler
Ausdrucksmöglichkeiten feststellen, gelegentlich wohl auch eine gewisse Vereinheitli-
chung des Stilcharakters. Doch bedeutet das nicht, dass es innerhalb eines großen und
relativ gleichförmigen Kunstraums nicht auch Auftraggeber gegeben hätte, die bereit-
williger als andere fremde stilistische Artikulationsmöglichkeiten übernahmen oder
sie im Gegenteil auch ablehnten. Vergleichbar mit dialektalen Sprachvarietäten ist
innerhalb der österreichischen Kunstproduktion bei allen Übereinstimmungen auch
mit autochthonen Entwicklungstendenzen zu rechnen, die die Grenzen vorgegebener
Muster überwanden und regionalspezifische Ausformungen von Möbeln zur Folge
hatten. Die Bänke in Gröbming, Pürgg und Frauenberg (Farbtaf. 17 ; Abb. 196, 232)
sprechen hierfür eine ebenso deutliche Sprache wie das Mobiliar im Stift Schlägl, die
Tischlerarbeiten in St.
Paul (Abb.
57, 60) oder die Möbel in Nordtirol (Abb.
287–289,
315, 335 usw.).19 Bei solch ausgefallenen Formen und Motiven handelt es sich um
eigenständige stilistische Entwicklungen in eingegrenzten räumlichen Arealen, in
den übrigen Regionen Österreichs sind diese Stilmerkmale weniger stark ausgeprägt,
wenn nicht sogar unbekannt. Gleichwohl rückt die moderne Geschichtswissenschaft
zunehmend von der Vorstellung regionaler oder innerstaatlicher Kulturräume ab, um
Kunstobjekte im europäischen, ja sogar außereuropäischen Kontext zu verorten, was
schon alleine im Hinblick auf die Tischler in der habsburgischen Residenzstadt als
16 Hierzu etwa KHM, Schatzkammer (1991), 246–250, Kat. 30–38 ; Haag, Meisterwerke (2010), 114–115.
17 Eines der frühesten italienischen Möbel mit einer entsprechenden Dekoration ist ein im Palazzo Vec-
chio zu Florenz aufbewahrter Kabinettschrank von 1630/35. Giusti, Splendori (1988), 148–149.
18 Vgl. hierzu auch die relevanten Beiträge in Möseneder/Thimann/Hofstetter, Barocke Kunst (2014). Die
These von Berthold Haendcke, der beinahe die gesamte italienische Kunst von der Gotik bis zum Ba-
rock
– und zwar sowohl die arti maggiori als auch die arti minori
– unter dem Einfluss nordischer Künst-
ler entstanden sieht, kann an dieser Stelle getrost übergangen werden. Haendcke, Einfluss (1925).
19 Bohr, Kunsttransfer (2019), 166–179.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587