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2 KünstlerInnen über sich
Wie schrieben sich Künstlerinnen und Künstler in die lange Tradition der Künstler-
auto/biographik ein? Welche auto/biographischen Strategien verfolgten sie? Lassen
sich geschlechts- oder zeitspezifische Charakteristika finden? Wie nachhaltig erwies
sich das von ihnen selbst konstruierte Identitätsnarrativ in Hinblick auf ihre gegen-
wärtige Rezeption?
Diesen Fragen, im vorhergehenden Kapitel auf einer theoretischen Ebene fest-
gemacht, wird im folgenden Teil dieser Studie im Konkreten, anhand ausgewählter
auto/biographischer Texte von Alfred Kubin, Oskar Kokoschka, Aloys Wach, Erika
Giovanna Klien und Margret Bilger nachgespürt. Viele Faktoren beeinflussten die
auto/biographischen Strategien von KünstlerInnen, nicht zuletzt ihr Unterstüt-
zungsumfeld aber auch das eigene Bewusstsein um ihre Biographiewürdigkeit. Die
Skala reicht dabei vom Künstler Alfred Kubin, der bereits zu Lebzeiten von einem ei-
genen Archivar begleitet wurde bis hin zur Künstlerin Erika Giovanna Klien, die vor
allem aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen große Schwierigkeiten hatte,
ihr Leben und Werk auto/biographisch zu dokumentieren.
Neben einer generellen Kontextualisierung ist es Anspruch dieses Kapitels, für
jeden Künstler/jede Künstlerin ein autobiographisches Dokument, im Idealfall eine
vorliegende publizierte Autobiographie, einer Detailanalyse zu unterziehen, die sich
nicht nur inhaltlichen, sondern auch editorischen Fragestellungen widmet. Wann
und unter welchen Umständen wurden die Texte verfasst, welche „biographischen
Formeln“ (Kris/Kurz) lassen sich darin aufspüren, wann und zu welchem Zweck
wurden die Texte veröffentlicht und wer war daran beteiligt? All das interessiert
ebenso wie die Inhalte, die Auskunft über die Künstlerpersönlichkeiten und ihr ge-
sellschaftspolitisches Umfeld, ihre zeitliche Sozietät geben. Wenn die „Zeitwesen“
über sich selbst erzählen, wird somit der Konstruktionsprozess des eigenen Identi-
tätsnarrativs ebenso sichtbar wie das ihren Texten eingeschriebene „Wesen der Zeit“.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463